LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl
Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 1959/6 S.123-125
Der Langholzerwald bei Esch-an-der-Alzette.

Nördlich der Stadt Esch, unweit der Grenze des Escher- und des Monnericherbannes liegt still und friedlich, mitten im Felde, der Langholzerwald. Er umfaßt eine Fläche von rund 17 Hektar. Davon gehören 12,19 Hektar der Stadt Esch, der restliche Teil ist Eigentum der Gemeinde Monnerich. Der ganze Waldkomplex jedoch gehört zum Banne Monnerich. Er ist begrenzt durch die Orte: »Herrenfeld«, »vor Langholz«, »Langholzer Wois«, und »Im hintersten Art«.

Bis zum Jahre 1940 war der Langholzerwald Eigentum der Hüttengesellschaft ARBED. Durch Tausch vom 1.3.1940 zwischen genannter Gesellschaft einerseits und der Gemeinde Esch-Alzette anderseits, ging der Wald nebst einem anliegenden, 13 Hektar großen Gelände, gelegen Bann Monnerich, Ort genannt »im Herrenfeld« in den Besitz der Stadt Esch über. Als Entgeld erhielt die ARBED ein ebenfalls auf Monnericher Bann gelegenes, an ihre Schlackenhalde grenzendes Gelände von 40 Hektar Inhalt, welches sie zur Vergrößerung desselben benötigte.

Obschon genannter Wald nur 3 km vom Zentrum der Stadt Esch entfernt ist, bildet er doch nur selten das Ausflugsziel eines Escher Bürgers. Diese Tatsache ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, daß er nur schwer zu erreichen ist und in seinem Innern sich kaum ein gangbarer Weg vorfindet. Und doch wäre es interessant, diesen Forst einmal aufzusuchen, denn von allen Wäldern der Escher Umgebung gebührt dem Langholzerwald unstreitig der Preis der Eigenart. Er liegt in flacher Landschaft, in unmittelbarer Nähe des großen Wiesengeländes »Lallingerweiher«, welches früher der Escher Flughafen einnahm, und das demnächst als Baugelände erschlossen wird. Sein Boden ist feuchter, schwerer Lehmboden, der stellenweise in Morast übergeht, in dem der Fuß des Wanderers einsinkt. Wassergräben durchziehen den Wald, sie sind die einzigen Vertiefungen, welche dieses flache Waldgelände aufweist. Der Baumbestand, der ausschließlich aus Eichen besteht, trägt die Merkmale seines Bodens. Diese Eichen sind nicht die mächtigen und stolzen Artgenossen, mit weit ausragendem Astwerk, die wir im großen Escher Busch und auch in den meisten anderen Forsten des Landes antreffen. Ihr Wuchs ist gedrungen; sie haben es nur zu geringer Höhe gebracht; auch ihr Stammumfang ist sehr bescheiden, und das Astwerk setzt tief unten an.

Beim Betreten des Langholzerwaldes sind wir überrascht von dem überaus reichen, mannigfaltigen Unterwuchs, der dem Walde erhöhte Bedeutung verleiht. Dieser im Übermaß entwickelte und stellenweise undurchdringliche Unterwuchs ist das Ergebnis einer früher geübten Gewohnheit, von Zeit zu Zeit das gesamte Unterholz abzuhauen, — ein Eingriff, der dasselbe desto üppiger austreiben ließ. Dieser Unterwuchs besteht in der Mehrzahl aus Schwarzdorn und Hasel. Ihnen haben sich zugesellt: Hainbuche, Hartriegel, Weißdorn, Heckenkirsche, Liguster und Maßholder. Aus diesem wildnisartigen Unterwuchs tritt ab und zu eine Jungbuche hervor. Auch die Waldränder weisen dichten Heckenwuchs auf. Dieser bildet einen guten Schutzmantel, der den Wind vom Walde abhält, den Boden vor Austrocknung bewahrt und das dürre Laub festhält. Brombeerhecken überspinnen stellenweise den Boden. Der dichte Unterwuchs aber läßt der Bodenvegetation wenig Raum; sie weist daher nur einige charakteristische Arten auf. Den freien Boden zwischen und unter den Sträuchern besiedeln eine Anzahl Frühlingsblumen wie Lungenkraut, Waldschlüsselblume, Waldveilchen, Buschwindröschen, Scharbockskraut usw. Auch der Aronstab tritt giftig rot in Erscheinung. Auf lichten Stellen, auf denen das Unterholz noch nicht Fuß gefaßt hat, bilden im Sommer eine Anzahl hochstengeliger Gräser und Stauden eine dichte Wildnis. Hier ragen die Doldenblütler wie Wasserdost, Wald-Engelwurz und Bärenklau hervor.

Der Langholzerwald zeichnet sich besonders aus durch seinen Reichtum an Singvögeln der verschiedensten Arten, die in dem dichten und mannigfaltigen Untergehölz und Heckenwuchs Schutz und reichliche Niststellen finden. Im Frühling kann man hier ein vielstimmiges Vogelkonzert belauschen, in dem die Stimme der Nachtigall deutlich hervortritt und alle übrigen Sänger übertönt. Es gibt kaum eine Gegend des Landes, in der der Frühling durch den Gesang der Nachtigallen so belebt wird, wie im Langholzerwald. Hier war es, wo Luxemburger Vogelkundige zum ersten Male das Nest der Weidenmeise entdeckten. Auch der seltene und laute Gelbspötter, im Volksmunde »Jeitzert« genannt, brütete dort lange Zeit zu mindestens zwei Paaren. Stockenten ziehen auf den dicht bestandenen Waldmooren ihre Jungen groß. Der Turmfalk nistet mit Vorliebe in den Krähenhorsten. Außerdem wurden noch als Brutvögel festgestellt: Rabenkrähe, Elster, Star in den hohlen Stämmen, Amsel, Singdrossel, Rotkehlchen, Goldammer, Braunelle, Buchfink, Kohl- und Blaumeise, Zilpzalp, Fitis und Waldlaubsänger, Garten-, Dorn- und Mönchsgrasmücke, Neuntöter, Raubwürger, Waldkauz, Zaunkönig, gelegentlich der Feldspatz am Waldrande, Rebhuhn und Jagdfasan. — Vom Haarwild finden wir Hase und Wildkaninchen.

Doch wie lange noch wird dieses Waldidyll in seiner unverfälschten Schönheit erhalten bleiben? Immer weiter dehnt sich die Stadt Esch nach dieser Richtung hin aus. Mit dem Bau der »Cité du Cinquantenaire« im Ort genannt »auf der Hart« und der Cité Dr. Schaeftgen im Ort genannt »in der Panz«, ist sie beinahe in Schußweite an den Wald herangekommen. Die Gefahren, die einem Walde drohen, wenn eine Stadt bis an seine Ränder reicht, sind bekannt. Eines aber ist sicher! Je mehr sich die Stadt Esch ausdehnt, je stärker seine Bevölkerung wächst, um so nötiger ist gerade hier der Wald als Erholungsort und zugleich als Lunge der Stadt, desto wichtiger ist seine Erhaltung für die Zukunft. — Von dieser Erkenntnis ist auch die Escher Stadtverwaltung durchdrungen. Sie hat beschlossen, den Wald als Erholungsort für ihre Bürger zu erhalten und zu erschließen. — Sein Fortbestand ist also für die Zukunft gesichert. Aus einem reinen Wirtschaftswalde wird in absehbarer Zeit ein sogenannter Parkwald entstehen. Nicht mehr seine Wirtschaftlichkeit wird dann ausschlaggebend sein, sondern ausschließlich seine Schönheit und sein Wert für die Volkgesundheit. Und diese seine Schönheit beruht in dem unverfälschten Fortbestand seines Waldcharakters. Unter Parkwald denkt man sich einen ausgesprochenen Wald, der also nur aus Baumbeständen besteht, in dem mithin Wiese, Rasenflächen, Blumenmassive, künstliche Wasserfälle, Kinderspielplätze, fremde Holzarten und andere Bestandteile, die man in einem reinen Park, d.h. einer durch Menschenhand geschaffenen, und dauernd von ihr unterhaltenen Anlage vorfindet, ausgeschaltet bleiben. Was die Wege in einem Parkwald betrifft, so ist es selbstverständlich, daß deren Zahl auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben muß. Zuviele Wege zerreißen die Waldfläche und beeinträchtigen daher den Gesamtausdruck des Waldes. Spielereien und Künsteleien, die man in einem reinen Park als eine Selbstverständlichkeit hinnimmt, wirken in einem Parkwald unerträglich. — Auch vorkommendes Unterholz muß in einem Parkwald, genau wie im Wirtschaftswalde, weitgehend geschont werden. Es dient vor allem dem Bodenschutz und zugleich dem nicht minder wichtigen Vogelschutz. Ohne Vogelwelt wäre der schönste Wald ein toter Wald.

Und die jährlichen Abfälle an Laub und dürrem Holz, die in einem reinen Park peinlichst gesammelt und entfernt werden! Sie müssen dem Parkwald erhalten bleiben.

Immerhin aber besteht die Gefahr, dass in einem Walde wie der Langholzerwald, so bald er unter landschaftsgärtnerische Pflege gestellt wird, mit der Zeit der Versuch gemacht wird, landschaftsgärtnerische Noten in ihn hineinzutragen. Diese Gefahr ist nicht aus dem Auge zu verlieren. — Es gab eine Zeit, in der man bestrebt war, die freie Natur und auch den Wald mit fremden Holzarten zu »bereichern«. Es war die Zeit, als die Verschönerungsvereine auf den Plan traten, als alles Fremde für schöner und wertvoller gehalten wurde als das Einheimische. Diese Zeit ist heute noch nicht überwunden. — Je weniger sich aber die Hand des Menschen in einem Parkwald bemerkbar macht, desto besser für ihn! Aber fehlen darf sie auch nicht. Auch der Parkwald muß gelichtet werden, wenn er seinen Zweck dauernd erfüllen soll. Nur kann dies viel rücksichtsvoller und langsamer geschehen als im reinen Wirtschaftswald.

Sollte daher der Langholzerwald den an ihn gestellten Zweck für die Zukunft erfüllen und seinen Reiz auf den naturverbundenen und schönheitsdurstigen Menschen weiterhin ausstrahlen, so ist es notwendig, daß ihm eine naturgemäße Behandlung zu teil werde, die das Gefühl, »im Wald zu sein«, noch aufkommen läßt.

Wie bereits vorhin erwähnt, weist der Langholzerwald eine Anzahl Lücken auf; auch sein Baumbestand ist teilweise spärlich. Es wäre daher ratsam, diese lichten Stellen aufzuforsten. Es ist selbstverständlich, daß zu diesem Zwecke nur solche Holzarten in Betracht kommen können, denen die Bodenverhältnisse zusagen und daher ein gutes Fortkommen sichern. Als solche kämen in Betracht: Buche, Esche, Fichte, Ahorn und auch Pappel. Auf diese Weise würde mit der Zeit ein Eichenmischwald entstehen, eine Waldform, die nach außen hin nicht nur das Auge befriedigt, sondern auch als die einzige biologisch richtige Waldform erkannt wurde.

Abschließend sei noch belobigend erwähnt, daß die Escher Stadtverwaltung in den letzten Jahren eine Fläche von ca 5 Hektar im »Herrenfeld«, das, wie bereits eingangs erwähnt, an den Langholzerwald angrenzt, aufforsten ließ. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, daß sie den Wert von Grüngürteln für eine Stadt wie Esch richtig erkannt hat. Weniger erfreulich aber ist die Tatsache, daß die Gemeinde Monnerich vor 2 Jahren beschlossen hat, dort ihren Waldteil abzuholzen und auch die behördliche Genehmigung zu diesem Vorhaben gefunden hat. Unter diesen Umständen wäre es an der Escher Stadtverwaltung, mit der Nachbargemeinde Monnerich in Verhandlungen zu treten zwecks Ankauf des betreffenden Waldteiles. Nur auf diese Weise könnte der Wald von der Axt verschont und kommenden Generationen erhalten bleiben.

Paul Thill

P.S. Der Langholzerwald ist auf den neuen Katasterkarten mit »Lankelz« und die Wiesen daneben mit »Lankelzerweier« bezeichnet.


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