Baumfalkenvorkommen in Luxemburg.
Jean Weiss
Der Baumfalke (Falco subbuteo) gehört seit jeher zu den seltensten
unserer einheimischen Brutvögel. Obschon während der letzten
20 Jahre ziemlich regelmäßig Einzelvögel, aber auch
Paare, während der Brutzeit gesichtet wurden, waren Horstfunde
äußerst selten. Bisher gab es deren insgesamt zwei:
1968: erfolglose Brutbei Rippweiler1);
1981: erfolgreiche Brut im Zentrum, des Gutlandes; zwei Jungvögel
flogen aus.
(Da der Baumfalke zu den stark gefährdeten Brutvogelarten unseres
Landes zählt, sehen wir bei der Brut von 1981 einstweilen von
einer genauen Ortsangabe ab.)
1. Baumfalkenbrut 1981
In Luxemburg verfügen wir nur über sehr spärliche,
eigene Angaben betreffend Brutbiologie und Verhalten des Baumfalken.
Deshalb wollen wir die wenigen Angaben, die 1981 gesammelt werden
konnten, hier ziemlich im Detail veröffentlichen. Einen ersten
Hinweis auf ein mögliches Brutvorkommen gab es erst relativ
spät, nämlich am 20. Juli. Durch mehrmaliges lautes Rufen (an
einen Wendehals erinnernd, aber lauter und durchdringender) verriet der
Baumfalke seine Anwesenheit. Ich konnte jedoch nur einen Vogel
beobachten (das Weibchen), der fast eine halbe Stunde auf der obersten
Spitze einer Fichte saß und später, als ich mein Versteck
verließ, in ziemlicher Höhe über mir kreiste und mich
nicht aus dem Auge ließ, so lange ich mich (ohne es allerdings zu
wissen) im direkten Horstbereich aufhielt. Drei Tage später konnte
ich längere Zeit das Paar beobachten, u.a. Beuteübergabe,
Angriffe auf vorbeifliegende Greifvögel sowie, ein
unvergeßliches Schauspiel, die gemeinsame Jagd auf eine Schwalbe.
Hier eine kurze Beschreibung:
Ein Altvogel (wahrscheinlich das Weibchen) kreiste über dem
Brutrevier. Plötzlich sah ich ihn ganz zielstrebig in eine
bestimmte Richtung fortschießen. Zuerst dachte ich, es sei ein
anderer Greifvogel ins Revier eingedrungen, der verjagt werden sollte.
Doch dann konnte ich mit dem Fernglas in ziemlicher Entfernung den
zweiten Baumfalken ausmachen, der gerade im freien Luftraum eine
Schwalbe jagte. Sekunden später war auch der erstgenannte Vogel
zur Stelle (er war also seinem Partner regelrecht zur Hilfe geeilt!),
und nun stießen die beiden Falken abwechselnd fünf- bis
sechsmal mit ungeheurer Schnelligkeit nach derselben Schwalbe,
allerdings ohne Erfolg. Sie gaben schließlich auf; der eine Falke
verschwand, der andere kehrte zum Horstrevier zurück. Das Ganze
hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert.
An einer Brut war nun nicht mehr zu zweifeln, und bei einer dritten
Kontrolle am 29. Juli wurde der Horst gesucht und auch entdeckt: es
handelte sich um ein Rabenkrähennest, gut versteckt auf einem
Randbaum eines Altfichtenbestandes, in ca. 23 m Höhe, nur wenige
Meter von der Spitze des Baumes. Die an sich schon idealen
Anflugmöglichkeiten wurden noch zusätzlich durch die Hanglage
des Waldes verstärkt.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich nur ein Jungvogel im Nest, ein zweiter
ruhte in etwa 1,5 m Entfernung auf einem waagerechten Seitenast. Hier
wurde er wenig später vom Weibchen gefüttert. Zu bemerken
ist, daß dieses dem Jungvogel die Beute nicht als Ganzes
übergab, sondern bei ihm landete, ihm kleine Fleischhappen reichte
und ihn regelrecht fütterte. Nach der Fütterung kehrte der
Jungfalke für kurze Zeit in den Horst zurück und turnte
danach auf den Seitenästen umher.
Ein leichter Größenunterschied ließ vermuten,
daß es sich bei dem Exemplar im Nest um ein Weibchen, bei dem
anderen, der das Nest bereits verlassen hatte, um ein Männchen
handelte.
Am 3. August hielt sich immer noch ein Jungvogel im Nest auf; der
andere war vermutlich auf Nachbarbäume übergewechselt.
Am 8. August war das Nest leer. Am 13. August wurde die ganze Familie
fliegend beobachtet: 2 Alt- und 2 Jungvögel.
Am 15. August jagten zwei Exemplare (darunter wahrscheinlich ein
Jungvogel) niedrig über einem Getreidefeld in ca. 700 m Entfernung
vom Horstplatz.
Die letzte Beobachtung von Baumfalken in diesem Revier erfolgte am 2.
September. Zwei Exemplare ruhten bei Anbruch der Dämmerung auf
dürren Bäumen etwa 300 m vom Brutplatz entfernt. Es
dürfte sich um die beiden Altvögel gehandelt haben. Bei einer
Kontrolle am 19. September wurde kein Exemplar mehr gesichtet. (An der
Horstsuche waren Paul Hentgen und Danielle Weicherding beteiligt; an
verschiedenen Kontrollen Tom Conzemius, Jules Diederich und Jim
Schmitz.)
Brutbiotop: Das Zentrum des Reviers bildete ein Waldkomplex von
knapp einem Quadratkilometer, auf einem Höhenrücken
(Luxemburger Sandstein) gelegen, umgeben von welligem bis
hügeligem Gelände mit einerseits teilweise feuchten Wiesen
(Gräben, kleine Fließgewässer), Feldern, eingestreuten
Baum- und Gebüsch-
reihen sowie Waldparzellen, andererseits an waldreichere Gebiete
stoßend.
Brutperiode: Bei einer Nestlingsdauer von 28-32 Tagen und einer
Brutdauer von 28 Tagen2) läßt sich der Schlüpftermin
auf Anfang Juli zurückrechnen, während die Eiablage um den 1.
Juni erfolgt sein müßte. Nahrung: Das Gebiet wurde
nicht systematisch abgesucht. Die Ausbeute ist denkbar gering: eine
Mauerseglerschwungfeder, Kleingefieder von Schwalben, einzelne
Gewölle.
Feindverhalten: Am 23. Juli konnte ich mehrfach beobachten, wie
sich die Baumfalken in ihrem Brutrevier fremden Greifvögeln
gegenüber verhielten: Ein Mäusebussard, der in ca. 200 Meter
Entfernung in ziemlicher Höhe kreiste, blieb unbehelligt. Ein
anderer, der knapp 50 Meter unterhalb des Horstes vorbeiflog, wurde
sehr heftig (laute Rufreihen, Sturzflüge) vom Weibchen angegriffen
(das Männchen war gerade auf Jagd). Ähnlich heftige Angriffe
beider Falken erfolgten gegen Wespenbussarde (nach einander zwei
verschiedene Exemplare), obschon sie weiter vom Horst entfernt waren.
Auch R. Bijlsma hebt dieses Verhalten gegenüber dem Wespenbussard
hervor3). Ein Schwarzmilan, der ungefähr in derselben Entfernung
wie die Wespenbussarde heranflog, wurde vom Weibchen allein angegriffen
(nur Rufreihen, Entgegenfliegen und begleitendes Kreisen), während
das Männchen, das wenige Minuten vorher mit einem erbeuteten Vogel
zurückgekehrt war, auf dem Ruhebaum sitzen blieb.
Rufaktivität: »Baumfalken sind während der
Jungenaufzucht sehr ruffreudig 2).« Das kann von diesem Paar
nicht gerade gesagt werden. Rufe waren eigentlich nur zu hören,
wenn das von der Jagd zurückkehrende Männchen sich mit einer
Beute ankündigte und wenn Greifvögel angegriffen wurden. Auch
dieJungvögel waren auffallend ruhig (nur einmal Rufe gehört).
Nach dem Ausfliegen der Jungen allerdings nahm die Ruffreudigkeit
deutlich zu.
2. Bruten im belgisch-luxemburgischen Grenzraum
Bereits 1980 konnte F. Schoos am 25. August eine Baumfalkenfamilie von
drei Exemplaren an der belgisch-luxemburgischen Grenze feststellen. Der
Horst, ein altes Rabenkrähennest, befand sich auf einer Rotbuche
in mehr als zwanzig Meter Höhe. Strenggenommen gehört dieses
Paar nicht zur luxemburgischen Baumfalkenpopulation, denn der Horstbaum
steht rund 200 Meter weit auf belgischem Boden. Da das Jagdrevier
jedoch auch auf unser Land übergreift, rechnen wir es dennoch (mit
entsprechender Einschränkung) hinzu. An derselben Stelle gab es
1981 wieder eine Brut mit wenigstens einem Jungvogel (drei Exemplare am
2. August beobachtet - F. Schoos und Mitarbeiter).
3. Zur Brutverbreitung des Baumfalken in Luxemburg
Die folgende Übersicht erhebt nicht den Anspruch, vollständig
zu sein. Wenn sie dennoch hier veröffentlicht wird, so einerseits
um den Stand unserer jetzigen Kenntnisse darzulegen, andererseits um
Anstoß und und Ausgangspunkt für zukünftige, genauere
Bestandsaufnahmen zu sein. Die für die Karte verwendeten Angaben
entstammen der Kartei der ornithologischen Beobachtungen der
Feldornithologischen Arbeitsgemeinschaft (1963-79; 1980-81
unvollständig; isolierte April- und Septemberdaten wurden nicht
berücksichtigt, da es sich hier mit großer
Wahrscheinlichkeit um Durchzügler handelte). An Hand dieser
Meldungen läßt sich die folgende provisorische
Verbreitungskarte des Baumfalken zeichnen:
Provisorische Verbreitungskarte
des Baumfalken in Luxemburg mit zwei sicheren und sechs
wahrscheinlichen Brutrevieren (Stand 1980/81)
Revier 1: Sicherer Brutplatz im belgisch-luxemburgischen Grenzgebiet.
Erfolgreiche Brüten 1980 und 1981 mit jeweils einem Jungvogel (F.
Schoos und Mitarbeiter).
Revier 2: In dieser Gegend gab es 1968 den ersten Brutnachweis des
Baumfalken für Luxemburg (V. Wassenich). Am 2. Juni 1974 wurde bei
Brouch ein Exemplar beobachtet (J. Weiss). Anfang September 1980 wurde
bei Nördingen eine dreiköpfige Baumfalkenfamilie festgestellt
(F. Schoos). Angesichts des späten Datums läßt sich
nicht mit Sicherheit sagen, ob die Familie auch tatsächlich dort
ansässig war oder nicht.
Es handelt sich jedoch offensichtlich um eine dem Baumfalken zusagende
Gegend, in der mit einem Brutpaar zu rechnen ist.
Revier 3: Sicherer Brutplatz 1981: zwei Jungvögel ausgeflogen. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß auch schon vor 1981 ein Paar in
dieser Gegend brütete. Es liegen Meldungen vor aus den Jahren 1970
(8.+20. August), 1978 (10. August), 1979 (3. August), 1980 (19.7.;
21.+25.8.) (T.Conzemius, J. Diederich, L. van den Hombergh, F. Schoos,
J. Weiss).
Revier 4: Es liegen folgende Beobachtungen vor:
1972 - 18.6.: 1 Exemplar Echternach-Osweiler; 9.7.: 1 M Bech; 31.7.: 1
Jungvogel Rosport; Brutverdacht für den Raum
Echternach-Osweiler-Rosport (Ed. Melchior, R. Neys).
1979 - 2.6.: 1 Paar Rosport; 3.9.: 1 Exemplar daselbst (R. Schoos).
1981 - 16.6.: 1 Paar Herborn (T. Conzemius, P. Hentgen, J. Weiss);
Brutzeit: 1 Ex. greift Sperber an, Rosport (Schoos).
In dieser Gegend gibt es möglicherweise zwei Paare, davon eines im
deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet.
Revier 5: 1977 - 19.5.: 1 Exemplar Bridel (T. Conzemius); 6.6.: l
Exemplar Holzem (R. Schoos).
1979 - 25.5.+26.5.: 1 Paar
Garnich; 26.5. Bartringen: 1 Exemplar greift
eine Rabenkrähe an; 11.8.: 1 Exemplar Bartringen (Schoos).
1981 - 1 Exemplar bei Holzem (Schoos).
Die Meldungen lassen auf ein wahrscheinliches Brutpaar schließen.
Revier 6: Luxemburg-Kockelscheuer. Dieses Gebiet scheint in den
sechziger Jahren besetzt gewesen zu sein: 25.6.64+30.6.65 / 2.7.65+4.7. /
14.7.67 jeweils ein Exemplar Kockelscheuer (Weihergebiet) (V.
Wassenich); 15.7.67 ein Exemplar Röser (J.-P. Risch); 19+21.6.68
ein Exemplar Luxemburg-Belair(J.-P. Schmitz). Auch wenn aus den letzten
Jahren keine Meldungen mehr vorliegen (mangels Kontrollen!),
dürfte es sich um ein potentielles Brutgebiet handeln,
Brutgebiet 7: Die Meldungen aus dem Raum Esch-Bettemburg-Monnerich
deuten auf ein wahrscheinliches Brutpaar hin.
1963 - 7.5.: 1 Exemplar Esch-Alzette, Langholzerwald (J. Peltzer);
11.8.: 1 Paar daselbst (V. Wassenich).
1965 - 29.5.: 1 Exemplar Hellingen-Bettemburg (V. Wassenich).
1971 - 11.5.: 1 Exemplar Ehlingen (Ed. Melchior, R. Neys).
1974 - 12.7.: 1 Exemplar (id.).
1978 - 5.6. und später, u.a. am 11.7.: 1 Exemplar Monnerich (Orn.
Studiengemeinschaft Bettemburg-Monnerich; Weyrich).
1979 - 20.5.: 1 Exemplar Monnerich (R. Neys); 10+12.6: 1 Exemplar
Bergem (E. Conrad, Ed. Melchior).
Revier 8: Raum Schwebsingen/Remerschen: 1 mögliches Brutpaar,
eventuell im deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet.
Feststellungen: 10.6.65 Schwebsingen: 1 Exemplar (Jim Schmitz, J.
Engel); 15.8.75: 1 Exemplar daselbst (R. Gloden); 6.5.-12.7.1976
Remerschen: 1 Exemplar (Jim Schmitz, R. Gloden); 7.6.80: 1 Exemplar
Schwebsingen (R. Gloden).
Schlußfolgerungen und Kommentar
Wenn man optimistisch ist und annimmt, daß in den letzten
Jahren die meisten der aufgezählten Reviere auch tatsächlich
besetzt waren und außerdem das nähere Grenzgebiet mit
einbezieht, kann man den gegenwärtigen Brutbestand des Baumfalken
in Luxemburg mit 6-8 Paaren veranschlagen.
Das mag manchem als u hoch gegriffen erscheinen, aber immerhin gab es
an sieben der acht aufgezählten Stellen rezente Feststellungen
(auch wenn wir nicht wissen, wie hoch der Anteil nichtbrütender,
umherstreifender Exemplare daran ist). Darüber hinaus ist es bei
der überwiegend unauffälligen Lebensweise dieses Kleinfalken
durchaus denkbar, daß das eine oder andere Vorkommen bisher nicht
erfaßt wurde. Auffallenderweise liegen die Nachweise fast
ausschließlich in Gebieten, die regelmäßig von
Ornithologen kontrolliert werden.
Gänzlich unklar ist jedenfalls die Situation im Ösling, aus
dem bisher keine Brutzeitbeobachtung vorliegt, obschon es, besonders
auf dem Hochplateau, nicht an (nach menschlichem Ermessen) geeigneten
Brutbiotopen fehlt. (Ein Horstfund bei Wiltz durch J. Morbach im Jahre
1942 oder 43 wird als nicht ausreichend gesichert angesehen.) 1).
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß ab 1978 im
benachbarten Saarland (2568 km2 Gesamtfläche, 803 km2 Wald) eine
Zunahme verzeichnet wurde und 1979 mit ca. 30 Brutpaaren gerechnet
wurde (1977 weniger als 10 Brutpaare!) 4).
Ob die vermehrten Feststellungen der letzten Jahre auf eine
ähnliche Entwicklung in Luxemburg hindeuten, bleibt abzuwarten.
Auf alle Fälle wird es sich lohnen, dem Baumfalken in Zukunft
größere Aufmerksamkeit zu schenken.
Résumé
Treize ans après la première preuve de nidification du
faucon hobereau au Grand-Duché de Luxembourg en 1968 une
deuxième nichée a été découverte en
1981. Les deux jeunes ont quitté le nid fin juin,
l'éclosion début juillet. Les observations
ornithologiques des dernières années permettent de situer
le nombre des couples nichant actuellement au Luxembourg (quelques
régions limitrophes comprises) entre 6 et 8. Toutefois des
recensements plus poussés permettant de contrôler les
effectifs et de les évaluer avec plus de précision
s'imposent.
Literatur
1) V. Wassenich, 1968, Brutnachweise des Baumfalken in Luxemburg,
REGULUS Band 9, Nr. 11,S.267-274
2) Glutz von Blotzheim, Bauer & Bezzel, 1971, Handbuch der
Vögel Mitteleuropas, Band 4.
3) R. Bijlsma, 1980, De Boomfalk, S. 54, Uitgeverij Kosmos bv Amsterdam.
4) D. Fiuczynski, 1981, Siedlungsdichte und Bestandsentwicklung des
Baumfalken (Falco subbuteo) in Deutschland, Orn. Mitteilungen
1/1981,S.6.