LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl
Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 1981/3 S. 108-110
einige Druckfehler (Datum) sind in rot verbessert!

Baumfalkenvorkommen in Luxemburg.
Jean Weiss
Der Baumfalke (Falco subbuteo) gehört seit jeher zu den seltensten unserer einheimischen Brutvögel. Obschon während der letzten 20 Jahre ziemlich regelmäßig Einzelvögel, aber auch Paare, während der Brutzeit gesichtet wurden, waren Horstfunde äußerst selten. Bisher gab es deren insgesamt zwei:
1968: erfolglose Brutbei Rippweiler1);
1981: erfolgreiche Brut im Zentrum, des Gutlandes; zwei Jungvögel flogen aus.
(Da der Baumfalke zu den stark gefährdeten Brutvogelarten unseres Landes zählt, sehen wir bei der Brut von 1981 einstweilen von einer genauen Ortsangabe ab.)

1. Baumfalkenbrut 1981
In Luxemburg verfügen wir nur über sehr spärliche, eigene Angaben betreffend Brutbiologie und Verhalten des Baumfalken. Deshalb wollen wir die wenigen Angaben, die 1981 gesammelt werden konnten, hier ziemlich im Detail veröffentlichen. Einen ersten Hinweis auf ein mögliches Brutvorkommen gab es erst relativ spät, nämlich am 20. Juli. Durch mehrmaliges lautes Rufen (an einen Wendehals erinnernd, aber lauter und durchdringender) verriet der Baumfalke seine Anwesenheit. Ich konnte jedoch nur einen Vogel beobachten (das Weibchen), der fast eine halbe Stunde auf der obersten Spitze einer Fichte saß und später, als ich mein Versteck verließ, in ziemlicher Höhe über mir kreiste und mich nicht aus dem Auge ließ, so lange ich mich (ohne es allerdings zu wissen) im direkten Horstbereich aufhielt. Drei Tage später konnte ich längere Zeit das Paar beobachten, u.a. Beuteübergabe, Angriffe auf vorbeifliegende Greifvögel sowie, ein unvergeßliches Schauspiel, die gemeinsame Jagd auf eine Schwalbe. Hier eine kurze Beschreibung:
Ein Altvogel (wahrscheinlich das Weibchen) kreiste über dem Brutrevier. Plötzlich sah ich ihn ganz zielstrebig in eine bestimmte Richtung fortschießen. Zuerst dachte ich, es sei ein anderer Greifvogel ins Revier eingedrungen, der verjagt werden sollte. Doch dann konnte ich mit dem Fernglas in ziemlicher Entfernung den zweiten Baumfalken ausmachen, der gerade im freien Luftraum eine Schwalbe jagte. Sekunden später war auch der erstgenannte Vogel zur Stelle (er war also seinem Partner regelrecht zur Hilfe geeilt!), und nun stießen die beiden Falken abwechselnd fünf- bis sechsmal mit ungeheurer Schnelligkeit nach derselben Schwalbe, allerdings ohne Erfolg. Sie gaben schließlich auf; der eine Falke verschwand, der andere kehrte zum Horstrevier zurück. Das Ganze hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert.
An einer Brut war nun nicht mehr zu zweifeln, und bei einer dritten Kontrolle am 29. Juli wurde der Horst gesucht und auch entdeckt: es handelte sich um ein Rabenkrähennest, gut versteckt auf einem Randbaum eines Altfichtenbestandes, in ca. 23 m Höhe, nur wenige Meter von der Spitze des Baumes. Die an sich schon idealen Anflugmöglichkeiten wurden noch zusätzlich durch die Hanglage des Waldes verstärkt.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich nur ein Jungvogel im Nest, ein zweiter ruhte in etwa 1,5 m Entfernung auf einem waagerechten Seitenast. Hier wurde er wenig später vom Weibchen gefüttert. Zu bemerken ist, daß dieses dem Jungvogel die Beute nicht als Ganzes übergab, sondern bei ihm landete, ihm kleine Fleischhappen reichte und ihn regelrecht fütterte. Nach der Fütterung kehrte der Jungfalke für kurze Zeit in den Horst zurück und turnte danach auf den Seitenästen umher.
Ein leichter Größenunterschied ließ vermuten, daß es sich bei dem Exemplar im Nest um ein Weibchen, bei dem anderen, der das Nest bereits verlassen hatte, um ein Männchen handelte.
Am 3. August hielt sich immer noch ein Jungvogel im Nest auf; der andere war vermutlich auf Nachbarbäume übergewechselt.
Am 8. August war das Nest leer. Am 13. August wurde die ganze Familie fliegend beobachtet: 2 Alt- und 2 Jungvögel.
Am 15. August jagten zwei Exemplare (darunter wahrscheinlich ein Jungvogel) niedrig über einem Getreidefeld in ca. 700 m Entfernung vom Horstplatz.
Die letzte Beobachtung von Baumfalken in diesem Revier erfolgte am 2. September. Zwei Exemplare ruhten bei Anbruch der Dämmerung auf dürren Bäumen etwa 300 m vom Brutplatz entfernt. Es dürfte sich um die beiden Altvögel gehandelt haben. Bei einer Kontrolle am 19. September wurde kein Exemplar mehr gesichtet. (An der Horstsuche waren Paul Hentgen und Danielle Weicherding beteiligt; an verschiedenen Kontrollen Tom Conzemius, Jules Diederich und Jim Schmitz.)
Brutbiotop: Das Zentrum des Reviers bildete ein Waldkomplex von knapp einem Quadratkilometer, auf einem Höhenrücken (Luxemburger Sandstein) gelegen, umgeben von welligem bis hügeligem Gelände mit einerseits teilweise feuchten Wiesen (Gräben, kleine Fließgewässer), Feldern, eingestreuten Baum- und Gebüsch-
reihen sowie Waldparzellen, andererseits an waldreichere Gebiete stoßend.
Brutperiode: Bei einer Nestlingsdauer von 28-32 Tagen und einer Brutdauer von 28 Tagen2) läßt sich der Schlüpftermin auf Anfang Juli zurückrechnen, während die Eiablage um den 1. Juni erfolgt sein müßte. Nahrung: Das Gebiet wurde nicht systematisch abgesucht. Die Ausbeute ist denkbar gering: eine Mauerseglerschwungfeder, Kleingefieder von Schwalben, einzelne Gewölle.
Feindverhalten: Am 23. Juli konnte ich mehrfach beobachten, wie sich die Baumfalken in ihrem Brutrevier fremden Greifvögeln gegenüber verhielten: Ein Mäusebussard, der in ca. 200 Meter Entfernung in ziemlicher Höhe kreiste, blieb unbehelligt. Ein anderer, der knapp 50 Meter unterhalb des Horstes vorbeiflog, wurde sehr heftig (laute Rufreihen, Sturzflüge) vom Weibchen angegriffen (das Männchen war gerade auf Jagd). Ähnlich heftige Angriffe beider Falken erfolgten gegen Wespenbussarde (nach einander zwei verschiedene Exemplare), obschon sie weiter vom Horst entfernt waren. Auch R. Bijlsma hebt dieses Verhalten gegenüber dem Wespenbussard hervor3). Ein Schwarzmilan, der ungefähr in derselben Entfernung wie die Wespenbussarde heranflog, wurde vom Weibchen allein angegriffen (nur Rufreihen, Entgegenfliegen und begleitendes Kreisen), während das Männchen, das wenige Minuten vorher mit einem erbeuteten Vogel zurückgekehrt war, auf dem Ruhebaum sitzen blieb.
Rufaktivität: »Baumfalken sind während der Jungenaufzucht sehr ruffreudig 2).« Das kann von diesem Paar nicht gerade gesagt werden. Rufe waren eigentlich nur zu hören, wenn das von der Jagd zurückkehrende Männchen sich mit einer Beute ankündigte und wenn Greifvögel angegriffen wurden. Auch dieJungvögel waren auffallend ruhig (nur einmal Rufe gehört). Nach dem Ausfliegen der Jungen allerdings nahm die Ruffreudigkeit deutlich zu.

2. Bruten im belgisch-luxemburgischen Grenzraum
Bereits 1980 konnte F. Schoos am 25. August eine Baumfalkenfamilie von drei Exemplaren an der belgisch-luxemburgischen Grenze feststellen. Der Horst, ein altes Rabenkrähennest, befand sich auf einer Rotbuche in mehr als zwanzig Meter Höhe. Strenggenommen gehört dieses Paar nicht zur luxemburgischen Baumfalkenpopulation, denn der Horstbaum steht rund 200 Meter weit auf belgischem Boden. Da das Jagdrevier jedoch auch auf unser Land übergreift, rechnen wir es dennoch (mit entsprechender Einschränkung) hinzu. An derselben Stelle gab es 1981 wieder eine Brut mit wenigstens einem Jungvogel (drei Exemplare am 2. August beobachtet - F. Schoos und Mitarbeiter).
3. Zur Brutverbreitung des Baumfalken in Luxemburg
Die folgende Übersicht erhebt nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Wenn sie dennoch hier veröffentlicht wird, so einerseits um den Stand unserer jetzigen Kenntnisse darzulegen, andererseits um Anstoß und und Ausgangspunkt für zukünftige, genauere Bestandsaufnahmen zu sein. Die für die Karte verwendeten Angaben entstammen der Kartei der ornithologischen Beobachtungen der Feldornithologischen Arbeitsgemeinschaft (1963-79; 1980-81 unvollständig; isolierte April- und Septemberdaten wurden nicht berücksichtigt, da es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit um Durchzügler handelte). An Hand dieser Meldungen läßt sich die folgende provisorische Verbreitungskarte des Baumfalken zeichnen:
Baumfalke 1981
Provisorische Verbreitungskarte des Baumfalken in Luxemburg mit zwei sicheren und sechs wahrscheinlichen Brutrevieren (Stand 1980/81)

Revier 1: Sicherer Brutplatz im belgisch-luxemburgischen Grenzgebiet. Erfolgreiche Brüten 1980 und 1981 mit jeweils einem Jungvogel (F. Schoos und Mitarbeiter).

Revier 2: In dieser Gegend gab es 1968 den ersten Brutnachweis des Baumfalken für Luxemburg (V. Wassenich). Am 2. Juni 1974 wurde bei Brouch ein Exemplar beobachtet (J. Weiss). Anfang September 1980 wurde bei Nördingen eine dreiköpfige Baumfalkenfamilie festgestellt (F. Schoos). Angesichts des späten Datums läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Familie auch tatsächlich dort ansässig war oder nicht.
Es handelt sich jedoch offensichtlich um eine dem Baumfalken zusagende Gegend, in der mit einem Brutpaar zu rechnen ist.

Revier 3: Sicherer Brutplatz 1981: zwei Jungvögel ausgeflogen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch schon vor 1981 ein Paar in dieser Gegend brütete. Es liegen Meldungen vor aus den Jahren 1970 (8.+20. August), 1978 (10. August), 1979 (3. August), 1980 (19.7.; 21.+25.8.) (T.Conzemius, J. Diederich, L. van den Hombergh, F. Schoos, J. Weiss).

Revier 4: Es liegen folgende Beobachtungen vor:
1972 - 18.6.: 1 Exemplar Echternach-Osweiler; 9.7.: 1 M Bech; 31.7.: 1 Jungvogel Rosport; Brutverdacht für den Raum Echternach-Osweiler-Rosport (Ed. Melchior, R. Neys).
1979 - 2.6.: 1 Paar Rosport; 3.9.: 1 Exemplar daselbst (R. Schoos).
1981 - 16.6.: 1 Paar Herborn (T. Conzemius, P. Hentgen, J. Weiss); Brutzeit: 1 Ex. greift Sperber an, Rosport (Schoos).
In dieser Gegend gibt es möglicherweise zwei Paare, davon eines im deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet.

Revier 5: 1977 - 19.5.: 1 Exemplar Bridel (T. Conzemius); 6.6.: l Exemplar Holzem (R. Schoos).
1979 - 25.5.+26.5.: 1 Paar Garnich; 26.5. Bartringen: 1 Exemplar greift eine Rabenkrähe an; 11.8.: 1 Exemplar Bartringen (Schoos).
1981 - 1 Exemplar bei Holzem (Schoos).
Die Meldungen lassen auf ein wahrscheinliches Brutpaar schließen.

Revier 6: Luxemburg-Kockelscheuer. Dieses Gebiet scheint in den sechziger Jahren besetzt gewesen zu sein: 25.6.64+30.6.65 / 2.7.65+4.7. / 14.7.67 jeweils ein Exemplar Kockelscheuer (Weihergebiet) (V. Wassenich); 15.7.67 ein Exemplar Röser (J.-P. Risch); 19+21.6.68 ein Exemplar Luxemburg-Belair(J.-P. Schmitz). Auch wenn aus den letzten Jahren keine Meldungen mehr vorliegen (mangels Kontrollen!), dürfte es sich um ein potentielles Brutgebiet handeln,

Brutgebiet 7: Die Meldungen aus dem Raum Esch-Bettemburg-Monnerich deuten auf ein wahrscheinliches Brutpaar hin.
1963 - 7.5.: 1 Exemplar Esch-Alzette, Langholzerwald (J. Peltzer); 11.8.: 1 Paar daselbst (V. Wassenich).
1965 - 29.5.: 1 Exemplar Hellingen-Bettemburg (V. Wassenich).
1971 - 11.5.: 1 Exemplar Ehlingen (Ed. Melchior, R. Neys).
1974 - 12.7.: 1 Exemplar (id.).
1978 - 5.6. und später, u.a. am 11.7.: 1 Exemplar Monnerich (Orn. Studiengemeinschaft Bettemburg-Monnerich; Weyrich).
1979 - 20.5.: 1 Exemplar Monnerich (R. Neys); 10+12.6: 1 Exemplar Bergem (E. Conrad, Ed. Melchior).

Revier 8: Raum Schwebsingen/Remerschen: 1 mögliches Brutpaar, eventuell im deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet.
Feststellungen: 10.6.65 Schwebsingen: 1 Exemplar (Jim Schmitz, J. Engel); 15.8.75: 1 Exemplar daselbst (R. Gloden); 6.5.-12.7.1976 Remerschen: 1 Exemplar (Jim Schmitz, R. Gloden); 7.6.80: 1 Exemplar Schwebsingen (R. Gloden).

Schlußfolgerungen und Kommentar
Wenn man optimistisch ist und annimmt, daß in den letzten Jahren die meisten der aufgezählten Reviere auch tatsächlich besetzt waren und außerdem das nähere Grenzgebiet mit einbezieht, kann man den gegenwärtigen Brutbestand des Baumfalken in Luxemburg mit 6-8 Paaren veranschlagen.
Das mag manchem als u hoch gegriffen erscheinen, aber immerhin gab es an sieben der acht aufgezählten Stellen rezente Feststellungen (auch wenn wir nicht wissen, wie hoch der Anteil nichtbrütender, umherstreifender Exemplare daran ist). Darüber hinaus ist es bei der überwiegend unauffälligen Lebensweise dieses Kleinfalken durchaus denkbar, daß das eine oder andere Vorkommen bisher nicht erfaßt wurde. Auffallenderweise liegen die Nachweise fast ausschließlich in Gebieten, die regelmäßig von Ornithologen kontrolliert werden.
Gänzlich unklar ist jedenfalls die Situation im Ösling, aus dem bisher keine Brutzeitbeobachtung vorliegt, obschon es, besonders auf dem Hochplateau, nicht an (nach menschlichem Ermessen) geeigneten Brutbiotopen fehlt. (Ein Horstfund bei Wiltz durch J. Morbach im Jahre 1942 oder 43 wird als nicht ausreichend gesichert angesehen.) 1).
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß ab 1978 im benachbarten Saarland (2568 km2 Gesamtfläche, 803 km2 Wald) eine Zunahme verzeichnet wurde und 1979 mit ca. 30 Brutpaaren gerechnet wurde (1977 weniger als 10 Brutpaare!) 4).
Ob die vermehrten Feststellungen der letzten Jahre auf eine ähnliche Entwicklung in Luxemburg hindeuten, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle wird es sich lohnen, dem Baumfalken in Zukunft größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Résumé
Treize ans après la première preuve de nidification du faucon hobereau au Grand-Duché de Luxembourg en 1968 une deuxième nichée a été découverte en 1981. Les deux jeunes ont quitté le nid fin juin, l'éclosion début juillet. Les observations ornithologiques des dernières années permettent de situer le nombre des couples nichant actuellement au Luxembourg (quelques régions limitrophes comprises) entre 6 et 8. Toutefois des recensements plus poussés permettant de contrôler les effectifs et de les évaluer avec plus de précision s'imposent.

Literatur
1) V. Wassenich, 1968, Brutnachweise des Baumfalken in Luxemburg, REGULUS Band 9, Nr. 11,S.267-274
2) Glutz von Blotzheim, Bauer & Bezzel, 1971, Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4.
3) R. Bijlsma, 1980, De Boomfalk, S. 54, Uitgeverij Kosmos bv Amsterdam.
4) D. Fiuczynski, 1981, Siedlungsdichte und Bestandsentwicklung des Baumfalken (Falco subbuteo) in Deutschland, Orn. Mitteilungen 1/1981,S.6.


L N V L Haus vun der Natur Kräizhaff, route de Luxembourg, L-1899 Kockelscheuer
Tel. 29 04 04 - Fax. 29 05 04 - Email: secretary@luxnatur.lu - Web: http://www.luxnatur.lu