LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl

Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 2000/3 S. 4-7

Naturschutz in der Sackgasse

Hatten alle Naturfreunde die Hoffnung gehegt, „nie mehr eine Affaire Gréngewald“, bei der Naturschutzaspekte mit Füßen getreten wurden, durchstehen zu müssen, so sieht die LNVL die gesamte Naturschutzpolitik im Augenblick endgültig in einer Sackgasse.
Eine Reihe von Überlegungen haben die LNVL dazu geführt, ihre Mitarbeit im Conseil Supérieur pour la Protection de la Nature zu suspendieren.

Mangel an „Feeling“ für Natur- und Landschaftsschutz

Angesichts der vielen negativen Beispiele im Naturschutzbereich, die in den letzten Wochen in die Öffentlichkeit drangen, muss man sich die Frage stellen, in wieweit die Verantwortlichen im Umweltministerium überhaupt noch die Belange des Naturschutzes vertreten und sich dafür einsetzen.
Neben diversen unverständlichen Baugenehmigungen im Grünzonenbereich machen die illegalen Bodenaufschüttungen direkt an der Grenze des einzigen von „Birdlife International“ anerkannten Vogelschutzgebietes in Luxemburg bei Weiler-la-Tour die LNVL besonders betroffen, zumal diese Illegalitäten im nachhinein genehmig genehmigt wurden und zwar ohne spezifischen Auflagen. Dies läßt auf einen eher freizügigen Umgang mit der Gesetzgebung schließen. Doch besonders bedenklich ist die fehlende Weitsicht, die einem Minister obliegen müsste, um ein solch bedeutendes Areal gegen alle störenden Einflüsse bestmöglichst abzusichern.
Ebensowenig Feeling zeigte der Staatssekretär bei der Genehmigung eines zu befestigenden Weges quer durch ein auszuweisendes Naturschutzgebiet in Flaxweiler. Obschon das Flurbereinigungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Naturschutzdienst abgeschlossen war, wurde der Ausbau dieses Weges im nachhinein genehmigt, und dabei u.a. fast die gesamte Population des Deutschen Enzians, einer extrem seltenen Pflanze in Luxemburg, vernichtet. Dabei hatte der Naturschutzdienst ausdrücklich auf den ökologischenWert des Gebietes und eine entsprechend schonende Vorgehensweise bei etwaigen Amenagierungsarbeiten hingewiesen. Dass nun den Naturschutzorganisationen angeboten wird, diesen Weg als Lehrpfad zu benutzen und ihn hübsch zu beschildern, ist eine geschmacklose Farce.
 
Die LNVL fordert eindeutige Entscheidungen im Umweltministerium zugunsten eines nachhaltigen Natur- und Landschaftsschutzes.

Fachliche Kompetenz muss die Entscheidungen bestimmen

Hatten sich die Fachleute in Sachen Flurbereinigung Flaxweiler auf einen Kompromiss geeinigt, so wurden im selben Dossier unter der neuen Regierung fundierte Gutachten der Fachleute der Forstverwaltung ignoriert und zusätzliche Genehmigungen erteilt, die dem Naturschutz zuwiderlaufen, so z.B.:

Die LNVL tritt seit Jahren für den Erhalt von Feuchtwiesen und für die naturnahe Gestaltung von Feldwegen ein. Sie wehrt sich deshalb dagegen, wenn mit einem Federstrich ganze Naturschutzkonzepte über den Haufen geworfen werden.
 
Die LNVL fordert den Erhalt der Feuchtwiesen und klare Richtlinien für einen naturnahen Feldwegebau.

Genehmigungsprozedur: schnell und trotzdem korrekt

Die LNVL versteht die Argumentation, dass bei Genehmigungsprozeduren schnellere Entscheidungen notwendig sind. Dazu muss jedoch die zuständige Verwaltung vor allem über das nötige Personal verfügen. Die Schnelligkeit der Entscheidungen darf jedoch auf keinen Fall auf Kosten der Sachlichkeit und des Naturschutzes gehen.
Sind bei umstrittenen Projekten seltene Pflanzen oder Sonderbiotope im Spiel, so setzt eine fachliche Analyse die Dauer einer Vegetationsperiode, also eines Jahres, voraus.
Auf keinen Fall dürfen weiterhin illegale Bauten in den Grünzonen im nachhinein legalisiert werden. Dies würde bedeuten, dass die für eine Kontrolle zuständigen Beamten keinen Sinn mehr in einer Anzeige sähen, und manche Bürger könnten sich nach Belieben an der Gesetzgebung vorbeimogeln.
 
Die LNVL fordert eine klare Aufwertung des Naturschutzdienstes und eine juristische Verfolgung jeglicher Mißachtung der Naturschutzgesetzgebung.

Straßenbau contra Naturschutz

Die jüngsten Diskussionen um die Nordstraße haben gezeigt, dass die getroffenen politischen Entscheidungen nicht ausreichend auf sachlichen Gutachten basierten. Dies zeigen die veröffentlichten Studien der Bautenverwaltung zur Genüge. Ein Lernprozess der Entscheidungsträger scheint dies jedoch nicht zu bewirken. Anstatt endlich ein globales Verkehrskonzept anzupeilen, wird wiederum an Teillösungen herumgebastelt. So ist es recht erstaunlich, dass der erst kürzlich erstellte „Projet de Plan directeur – contournement de localités“ die nun vorgeschlagenen Umgehungen im Westen der Hauptstadt nicht einmal am Rande erwähnt.
Die LNVL fragt sich, wie eigentlich eine kohärente Landesplanung überhaupt möglich sein soll, wenn jede Regierung neue Varianten entwirft. Wo bleibt der Natur- und Landschaftsschutz bei all diesen Diskussionen? Besonders fraglich erscheint uns die Verknüpfung der Straßenbaupolitik mit dem Naturschutz. Die Erklärungen vom Staatsminister Juncker und von Umweltminister Goerens zum geplante „Naturschutzgebiet“ im Mamertal kamen zeitgleich mit der Ankündigung eines Straßenbauprojektes, das weitere Naturräume zerschneiden wird, weitere Agrarflächen schwinden läßt. Das ist eine Zumutung für alle, die das Gerangel um Kompensationen für den Gréngewald mitansehen mussten und laut neuesten Aussagen aus Landwirtschaftskreisen wieder um die geplanten Kompensationen bangen müssen.
 
Die LNVL fordert die Ausweisung von Naturräumen unabhängig von Straßenbauprojekten.

Keine Vertauensbasis gegenüber dem Conseil Supérieur de la Protection de la Nature (CSPN)

Waren in den Vorwahlslogans Wörter wie Transparenz, Bürgernähe oder Dialogbereitschaft in allen Programmen zu lesen, so ist es doch mehr als erstaunlich dass ein Gremium wie der Oberste Rat für Naturschutz nicht einmal ansatzweise mit einem solch wichtigen Projekt wie der Neuorientierung im Mamertal befasst wurde.
Auch auf Anfrage der Naturschutzorganisationen, einige kritische Dossiers in Bezug auf zweifelhafte Genehmigungen im CSPN zu diskutieren, um anhand solcher Beispiele Fehlentscheidungen in Zukunft zu vermeiden, kam eine klare negative Antwort des Staatsekretärs.
Unter diesen Umständen ist die LNVL nicht mehr gewillt, in einem solchen Gremium Statist zu spielen und eine Alibi-Beratung mitzutragen und hat deshalb seine Mitarbeit im CSPN supendiert.
 
Die LNVL fordert ein Ernstnehmen des Conseil Supérieur de la Protection de la Nature , indem dieses Gremium Gutachten über die wichtigsten Dossiers im Naturschutzbereich abgeben kann.

Begriffswirrwarr vermeiden

In der Presse wurden in Bezug auf die Ausweisung eines Schutzgebietes im Mamertal, verschiedene Begriffe gebraucht: Naturschutzgebiet, Naturreservat, Habitatgebiet, Landschaftsschutzgebiet ... Viele Bürger, insbesondere Landwirte, fühlen sich ganz klar verunsichert durch diese Begriffsverwirrung, ist der Schutzstatus je nach Begriff doch klar verschieden.
Besonders der Begriff „Habitatgebiet“, das erst kürzlich von der EU den Partnern auferlegt wurde, wirft Fragen auf. Dieser Begriff ist noch nicht in Luxemburger Recht umgesetzt, also inhaltlich noch nicht klar definiert, und es bestehen noch keine Ausführungsbestimmungen. Es ist nach Ansicht der LNVL eine Zumutung, ein von Brüssel gefordertes Schutzgebiet nun als „Kompensation“ für eine andere Biotopzerstörung anzupreisen.
Wir weisen dabei auf einen Präzedenzfall hin: im „Dippëcher Bësch“ wurde im letzten Jahr trotz „avis défavorable“ des Naturschutzdienstes eine Schneise durch ein aufgelistetes „Habitatgebiet“ geschlagen, mit der Absicht, einen Weg zur Holzentnahme anzulegen, ohne ein Konzept für die Pflege eines solchen, auf europäischer Ebene geschützten Gebietes vorzuzeigen. Prompt wurde Anfang dieses Jahres im Nachhinein die Genehmigung für den Bau dieses Waldweges erteilt. Da scheint die rechte Hand nicht zu wissen, was die linke tut.
 
Die LNVL fordert eine klare Definition der Begriffe im Naturschutz, insbesondere eine nationale Definition der Habitatgebiete, sowie ein kurzfristiges Inkraftsetzen des sogenannten Biodiversitätreglementes, das Pflegepläne in Habitatgebieten ermöglicht.

Fehlendes Engagement in der Finanzpolitik

Schaut man sich die Verteilung der Gelder im „Fonds de l'environnement“ über Jahre hinweg genauer an, so muss man feststellen, dass in den letzten Jahren überhaupt kein Wille bestand, größere Projekte anzukurbeln.

Aufkauf von Flächen im Interesse des Naturschutzes: Noch 7 Naturschutzgebiete befinden sind in der Prozedur zur Ausweisung; allerdings zwei schon seit 1988, eine seit 1989, zwei seit 1991 !
Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache und zeigen dass auch die vorigen Regierungen nicht an echtem Artenschutz interessiert waren. Naturschutz wird klar als Stiefkind behandelt. Man komme uns jetzt nicht mit dem Argument, die Stiftung „Hëllef fir d'Natur“ würde ja von Regierungsseite unterstützt. Die Gelder für den Aufkauf von Naturschutzflächen müssen erst mühsam aufgebracht werden, bevor der Staat dann einen Teil des ausgegebenen Geldes zurückerstattet und auch das nur bis zu einer bestimmten Summe (3 500 000 F). Des weiteren ist der Zuschuss pro ar limitiert.
Die gesamten Aufkaufsbemühungen geschehen im übrigen auf ehrenamtlicher Basis.
Großprojekte im Naturschutzbereich sind auf diese Weise nicht zu bewerkstelligen. Man bedenke nur, was passieren würde, wenn man bei Straßenbauprojekten und im Kulturbereich ähnlich vorgehen würde.
Selbst bei der Verteilung der budgetären Überschüsse aus dem letzten Jahr ging der Naturschutz leer aus. Dabei wären dringend Gelder nötig, um z.B. Parzellen für die Renaturierung der Alzette im „Réiserbann“ aufzukaufen. Wann will man Naturschutz offensiv angehen wenn nicht in Zeiten des Wohlstandes?
Zu bedenken gibt auch der Umstand, dass erhebliche Mittel in ein noch nicht definiertes Wasserwirtschaftsamt fließen werden, das dazu noch dem Bereich des Umweltministers entzogen wurde.
 
Die LNVL fordert die Bereitstellung von den nötigen Geldern für innovativen Naturschutz und ein klares Finanzierungskonzept mit Fünf- oder Zehnjahresplänen.

Fazit nach einem Jahr Amtszeit der augenblicklichen Regierung: Ein globales Konzept fehlt noch immer

Eigentlich müsste man nach einem Jahre Amtszeit der neuen Koalition die Richtung erkennen, die den Naturschutz für die restliche Zeit der Legislaturperiode prägen sollte. Klare Zielsetzungen fehlen immer noch. Eine Absprache mit dem Landesplanungsministerium scheint nicht zu bestehen. Die Straßenbaupolitik definiert heute, wie seit jeher, das Bild unserer Landschaften, zerteilt weiterhin die Lebensräume und treibt die Biodiversität letztendlich in die Sackgasse. Naturschutz wird weiterhin mit homöopathischer Dosis getätigt, anstatt einige Großprojekte (siehe Renaturierung der Alzette, Ausweisen von Landschaftsschutzgebieten, zwischenstädtische Grüngürtel ...) konsequent weiterzutreiben. Mit Ideenmangel kann sich diese Lethargie nicht erklären lassen, denn seit 1981 liegt ein Konzept für die Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten vor. Ausgeweitet wurde diese Absichterklärung durch die von Europa geforderte Liste von schützenswerten Lebensräumen.
 
Die LNVL fordert eine Aktualisierung der Absichtserklärung von 1981 und eine klare Strategie mit Zeitplanung für die europäischen Habitatgebiete.

Seit Jahren leistet die LNVL wertvolle Arbeit im CSPN. Nun aber ist sie nicht mehr gewillt, weiterhin über ferne Ziele, Leitbilder, Nachhaltigkeit und europäische Naturschutzpolitik zu reden, wenn die täglichen Praktiken in unseren Landschaften eine entgegengesetzte Richtung einschlagen.
Es wäre auch an der Zeit, dass Minister Goerens sich auch einmal klar äußert zu den bestehenden Problemen. Da Naturschutz jedoch unabtrennbarer Bestandteil unserer Landesplanung ist, muss auch die Regierung als Ganzes endlich begreifen, dass sie die in der Koalitionserklärung gemachten Aussagen auch einmal anpacken muss.
Wir warten auf klare Konzepte im Bereich Natur- und Landschaftsschutz, die zeitlich überschaubar sind und sich klar abgrenzen von anderen politischen Zielen.
Es ist endlich an der Zeit, dass bei politischen Entscheidungen im Naturschutzbereich korporatistische oder ökonomische Interessen in den Hintergrund treten und ökologischen Überlegungen und Erkenntnissen der Vorzug gegeben wird.



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