Unsere Ausgabe vom Mittwoch, 07/01/2004
<   Natur & Umwelt  >
«Op der Fonderie»
Adios Nachhaltigkeit

In Rodange beweist das Innenministerium erneut, dass es Raumplanung hauptsächlich in den Dienst der Wirtschaft stellt.

TEXT: MARYSE LANNERS

Sie fühlen sich regelrecht verschaukelt. Ihr Konzept zur Aufwertung der Industriebrache «Op der Fonderie» sei äußerst realistisch und gemäßigt gewesen und hätte zugleich den Beweis geliefert, dass die Koexistenz von Gewerbe, Natur und Kultur auch im «Minette» möglich ist. Nach etlichen Diskussionsrunden mit der Entwicklungsgesellschaft Agora war Zuversicht angesagt. Doch Innenminister Michel Wolter fegte die Vorschläge der «Lëtzebuerger  Natur- a Vulleschutzliga» (LNVL) kurzerhand vom Tisch und entschied sich für die «billigste und Ideen ärmste Variante». Die Industriebrache wird zur Gewerbezone,  u.a. wird ein europäisches Data-Center dort seinen Sitz haben. Einige Alibi-Bäume sorgen für den grünen Touch.
Was an dieser desolat wirkenden Industriebrache überhaupt erhaltenswert ist? Die Frage bringt Françoise Rollinger, Präsidentin der lokalen LNVL-Sektion in Fahrt. Erstens handelt es sich um einen Teil unserer Industriegeschichte, also unserer Identität. Zweitens biete sich nun die Gelegenheit, die Korn teilweise zu renaturieren und generell von der Industrie verursachte Umweltschäden zumindest teilweise zu beheben. Also eine Art Wiedergutmachung zu leisten und den Standort Rodange durch den Aufbau neuer Anziehungspunkte aufzuwerten. Außerdem sei es Zeit, mit der allzu weit verbreiteten Meinung aufzuräumen, derzufolge der  «Minette» ohnehin verschmutzt und Naturschutz dort vergebliche Liebesmüh sei. Im Gegenteil. «Weil wir weniger Natur haben, ist sie umso schützenswerter», so die engagierte Dame.
ENTLANG DER KORN und zwischen der Collectrice du Sud, der Eisenbahn und viel bebautem Gebiet erstreckt sich das Gelände der früheren Gießerei der «Rodanger Schmelz», die seit über 20 Jahren den Betrieb eingestellt hat.  Mit knapp 60 Hektar ist die «Fonderie» die kleinste aller Brachen im Süden des Landes, deren Gesamtfläche sich auf 600 Hektar ausdehnt und die von der  Gesellschaft «Agora» neuen Bestimmungen zugeführt werden sollen. Angepeilt wird eine nachhaltige Entwicklung, «compte tenu des dimensions économique, écologique et sociale». So steht es im offiziellen Bericht des Innenministeriums an die Abgeordnetenkammer. An die Worte hinter dem Komma scheint sich, außer den Naturschützern, niemand zu erinnern, argwöhnen Letztere.

Doch der Innenminister findet die Kritiken der Naturschützer unbegründet, wie er dem DP-Abgeordneten Gusty Graas auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage versichert. Seiner Ansicht nach würden die Belange der Naturschützer ausreichend berücksichtigt. Dem widerspricht die LNVL. Die zurückbehaltene Variante verkleinere ein geplantes Naturschutzgebiet und vernichte geschützte Biotope sowie erhaltenswerte Industriearchitektur.
ABGEHOLZT wurden bereits die Birken und  Pappeln, die das Gelände säumten. Angeblich weil sie eine Gefahr für die Eisenbahn darstellten. Steht das gleiche Schicksal nun den alten Industriegebäuden bevor? Mit ihren eingeschlagenen Fensterscheiben und abbröckelnden Mauern wirken sie tatsächlich abbruchreif. Françoise Rollinger hat Angst, dass es «op eemol ganz schnell kënnt  goen». Dass die alten Gebäude einfach abgerissen würden.
Dabei waren ausgerechnet diese Hallen das zentrale Element des LNVL-Projektes. Im mittleren Teil sollte ein Vermarktungszentrum für Tourismus, Kultur und Geschichte im Südwesten Luxemburgs entstehen. Eine Art Visiting-Center im Dreiländereck, ein neues Aushängeschild für den «Minette». All diese Hoffnungen wurden jetzt zunichte gemacht. Das im aktuellen Plan «isoliert an die Korn gemalte Visiting Center, ohne Konzept und ohne Bezug zur Region», kann die LNVL nicht zufrieden stellen.


Überschwemmungsfläche: Das gesamte Areal steht auf den Auen der Korn.
Die Naturschützer wollte sie teilweise renaturieren und das Element  Wasser pädagogisch nutzen.

Abgeholzt: Zum Entsetzen der Naturschützer
wurden die Birken und Pappeln entfernt.

Entsetzen: Die frühere «Rodanger Schmelz» könnte ein attraktives
Vermarktungszentrum für den Süden werden. 
Jetzt fürchten die Befürworter dieser Wiederaufwertung, 
dass eines Tages der Bagger anrückt.

Powered by Esp@ce Net Sarl