Pflegestation der Luxemburger Natur- und Vogelschutzliga
Klinik für Wildtiere
Die einzige Tier-Pflegestation Luxemburgs
steht in Düdelingen. Auf ihrem Privatgrundstück versorgen Jeanny
und Jean François verlassene Tierbabies und pflegen verletzte Tiere.
Ein Bericht von Claude
François, Foto: Tom
Wagner
Ich
war immer ein Tierfreund, hatte aber eigentlich nie vor, eine Pflegestation
einzurichten. Aber als wir vor elf Jahren einen verletzten Igel fanden,
kümmerten wir uns um ihn, so gut wir konnten. Aus einem Patienten
wurden einige Dutzend, und plötzlich sprach sich herum, daß
wir solche Tiere pflegen…” Im ersten Jahr kamen knapp 100 Tiere bei Jean
François in Behandlung - im Rekordjahr 1996 sollten es mehr als
1 100 sein! “Die Zahl meiner Patienten hängt aber stark von den Jahreszeiten
ab”, fügt der Hobby-Tierpfleger hinzu; in den Monaten Mai bis Juli
landen besonders viele kranke oder verletzte Vögel und Säugetiere
in der Düdelinger Klinik. “Dann verlassen die jungen Tiere ihre Nester
und ihre Familie”, erklärt Jean François, “aber für viele
endet die Entlassung ins Leben tragisch”. Auf die jugendlichen Tiere lauern
auf der einen Seite natürliche Feinde - die Gesetze der Natur, der
Aussonderung und der Arterhaltung fordern ihre Opfer. Aber es lauern auch
unnatürliche, von Menschenhand konstruierte “Feinde”: Fahrzeuge, vor
denen kaum eine Tierart sicher ist; Hochspannungsleitungen, auf denen Vögel
durch Stromschlag getötet oder schwer verletzt werden; Landwirtschaftsgeräte,
die aus dem Weg räumen, was sich ihnen in den Weg stellt; Stacheldrähte,
in denen Vögel sich verfangen und schlimme Verwundungen erleiden;
offene Öltankbehälter, die von Vögeln als Wasserreservoir
mißverstanden werden… “Eigentlich pfusche ich der Natur ins Handwerk”,
sagt der 57jährige, “aber wenn man ein krankes Tier pflegt oder ein
Junges aufzieht, dann entwickelt man eine starke Bindung zu dem Geschöpf.
Und dann tut man alles, damit es wieder auf die Pfoten kommt”. Seit 1988
geben Jean, Jeanny und Carole François den hilflosen Tieren eine
zweite Chance. Die Bilanz nach elf Jahren läßt sich sehen -
mehr als 7000 Tiere kamen in Behandlung, und 70 Prozent davon konnte tatsächlich
geholfen werden.
Buteo buteo
Jean François, der “den Computer nur zum Buchführen
benutzt”, listet seine Patienten akribisch auf, von der Einlieferung bis
zur Genesung und Entlassung - oder bis zum Tod -, wird alles pedantisch
festgehalten. So zeigt seine 1998er Statistik, daß 53 Prozent der
eingelieferten Tiere an Unterernährung oder Erschöpfung litten
und 27 Prozent eine Verletzung hatten. Zehn Prozent der “Patienten” waren
gelähmt oder hatten eine Gehirnerschütterung - letzteres widerfährt
Vögeln vor allem, wenn sie gegen eine Fensterscheibe fliegen.
Der Tierpfleger hält auch die Ursachen der Verletzungen und
Krankheiten fest, so weit er dies nachvollziehen kann. Demnach waren im
Jahr 1998 48,3 Prozent seiner Patienten verwaiste Jungtiere, fast 13 Prozent
waren Opfer des Autoverkehrs und genau 13,61 Prozent, so ist in der Statistik
zu lesen, waren von einem Beutegreifer (Katze, Hund) angegriffen worden.
Und fast 100 Vögel waren gegen eine spiegelnde Glaswand geprallt.
In der Düdelinger Klinik gibt es vor allem erwachsene Tiere;
vom Uhu über den Reiher bis zum Fuchs ist so ziemlich alles vertreten,
was in der freien Natur zum Pflegefall werden kann. Eigentlich sollte der
ausgewachsene Fuchs längst wieder unter seinen Artgenossen sein, “aber
der will einfach nicht raus”, berichtet Jean François. Und der Baummarder,
der in der Voliere nebenan umherrennt, “läuft zwar oft weg, kehrt
aber immer wieder zurück”. Aber Pensionäre wie diese sind selten,
die meisten Tiere melden sich nach ihrer Entlassung nicht mehr; nur die
Spuren der Greifvögel kann man nachverfolgen, da sie systematisch
mit einem Markierungsring versehen werden.
Jean François katalogisiert alle Tiere unter ihrem lateinischen
Namen - da geht nicht die Rede von Mäusebussard oder Blaumeise, sondern
von einem Buteo buteo und einem Parus caeruleus. Jede Einzelheit, jede
Entdeckung, die das Tierleben betreffen, haben ihre Wichtigkeit: Es mag
den meisten Menschen gar nicht einmal auffallen, daß ein ausgewachsener
Hirschkäfer in ihrem Garten herumkrabbelt, aber für Leute wie
Jean François hat eine solche Information, wenn sie auch noch aus
einer “hirschkäferarmen” Gegend kommt, fast Sensationswert und wird
sofort an das Haus der Natur in Kockelscheuer, die Zentrale der Luxemburger
Natur- und Vogelschutzliga (LNVL) gemeldet.
Staatlich anerkannt
Die Aufzeichnungen, Tabellen und Beobachtungen von Jean François
und seinen Helfern haben dazu beigetragen, das zum Teil noch sehr geheimnisvolle
Treiben in der heimischen Fauna besser kennenzulernen und zu dokumentieren.
François tut dies mit der Methodik eines Forschers und der Genauigkeit
eines Buchführers. Und mit viel Leidenschaft, Begeisterung und Aufopferung…
So hat François alle Käfige für die Vögel
und Säugetiere selbst entworfen und mit Freunden gebaut. “Mein Beruf
hat mir dabei natürlich sehr geholfen”, berichtet der Arbed-Ingenieur,
der seit kurzem in Rente ist. Auch die großen Vogelkäfige, die
Volieren, die im Parc “Léi” unmittelbar neben dem Tierheim errichtet
wurden und in denen Greifvögel und Eulen genesen, sind handgemacht.
Tiere pflegen ist für die François längst zur
Lebensaufgabe geworden. Aber ohne die Spenden vor allem der Privatleute
und die finanzielle Unterstützung der verschiedenen Sektionen des
Natur- und Vogelschutzverbandes, der Düdelinger Gemeinde und des Staates
wäre die Düdelinger Tierpflegestation nicht das geworden, was
sie heute ist: die einzige Tierklinik Luxemburgs, die sogar über die
Grenzen hinaus bekannt ist. “Filmteams von TF1, France 3 und RTL 9 waren
bereits hier, und nach der Ausstrahlung einer Sendung riefen viele Leute
an, sogar jemand aus dem Massif Central”.
Seit 1998 wohnen Jean und Jeanny François an einer neuen
Adresse in Düdelingen, auf einem Grundstück “mit einem alten
Nußbaum im Garten und 20 Ar drumherum”. Und mit noch mehr Raum für
die Pflegestation. “Jetzt brauchen die Leute nicht mehr durch das Haus
zu rennen, wenn sie uns verletzte Tiere bringen”, freut sich Jean François,
der seit einem Jahr von einem jungen Tierpfleger unterstützt wird:
Der “Centre de soin et de révalidation pour la faune sauvage Dudelange”
wird nämlich als Einrichtung der Luxemburger Natur- und Vogelschutzliga
vom Umweltministerium anerkannt, und das Gehalt des neu eingestellten jungen
Tierpflegers wird über eine Konvention mit dem Staat bezahlt. “Ein
guter Mann”, lobt Jean François seinen jungen Mitarbeiter, “er ist
privat im Natur- und Tierschutz engagiert, und hat auch handwerklich etwas
drauf”.
Die Tierpfleger verwenden viel Zeit für das Füttern,
und das tun sie artgerecht und nach dem Lebensrhythmus der Tiere. “Der
größte Fehler, den die Leuten machen, ist falsches Füttern”,
schildert Jean François. “Man meint es zwar gut, aber dann stopft
man den Tieren Nahrung in den Rachen, die diese gar nicht vertragen. Kuhmilch
zum Beispiel kann auf den Organismus von jungen, schwachen Tieren wie Gift
wirken. Sie verenden dann nicht wegen mangelnder, sondern wegen falscher
Ernährung”.
Im Düdelinger Tierklinikum wird aber oft zur Babyflasche gegriffen,
um junge Wildhasen, Igel und andere Säugetiere aufzupäppeln,
und kleine Vögel werden mit saftigen Würmern verwöhnt. Recht
teuer kommt das Füttern der ausgewachsenen Tiere zu stehen. Fleischfresser
wie Igel, Marder oder Füchse mögen Hundefutter aus der Dose,
Reiher haben eine Vorliebe für Fisch und Greifvögeln werden tote
Mäuse, Ratten oder Küken serviert. “Die Mäuse gehen uns
immer aus”, wundert sich Jean François, “wir haben nie genug davon”.
Und auch der Vorrat an Küken wird rasch aufgebraucht: “Im
Laufe eines Jahres verputzen unsere Patienten 75 000 Küken, das sind
drei Tonnen!”, berichtet Jean François über das etwas makabre
Geschehen, “die kaufen wir bei einer Spezialfirma in Belgien.” Der Proviant
wird dann zu Hause portionsweise verpackt und in der Truhe tiefgefroren…
Pflegestation für verletzte Wildtiere
LNVL-Düdelingen
Jeanny und Jean François
Telefon: 51 31 14.
Spendenkonto:
CCPL 78999-41
(Vermerk: “Pflegestation”)
Fehler, vermeiden!
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Vögel soll man auf keinen Fall in Käfige stecken - Verletzungsgefahr!
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Die Vögel nicht selbst behandeln!
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Nicht versuchen, die Vögel zu ernähren oder ihnen gar Medikamente
zu verabreichen!
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Den Findling nicht herumzeigen, denn dadurch wird er noch gestresster.
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Unverletzte, voll befierderte Vögel, die aus dem Nest gefallen
sind, nicht aufheben - sie werden meistens von ihren Eltern weiter versorgt.
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Findet man in der freien Natur junge Säugetiere wie Reh und Hase,
so darf man diese auf keinen Fall anfassen. Diese Tiere sind nur in den
seltensten Fällen verlassen und werden nach Berührung durch den
Menschen von den Muttertieren nicht mehr angenommen. Anders bei den Vögeln:
die darf man anfassen, ohne daß sie von den Eltern verstoßen
werden - der Geruchssinn der Vögel ist nämlich nur wenig ausgeprägt.
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