Lëtzebuerger Natur a Vulleschutzliga asbl


Der Ausverkauf Luxemburgs hat also begonnen.

So einfach ist anscheinend die Entscheidung, wie unser Land in den nächsten Jahrzehnten aussehen soll. Hatte man noch vor kurzem daran geglaubt, eine Diskussion über das Luxemburg von morgen sollte doch kontrovers mit allen „forces vives“ unseres Landes durchdacht und nicht überstürzt ausgetragen werden, um voreilige Fehlentscheidungen zu vermeiden, so wurden wir nun alle eines besseren belehrt.
Rententisch und Budgetvorlagen haben also die Rahmenbedingungen für die Zukunft unseres Staates definiert. Die Gewerkschaften meldeten Erfolge auf der ganzen Linie, die Parteien sahen sich allesamt als Gewinner, Minister Frieden  kündigte in der Budgetvorlage kräftige Steuersenkungen für Betriebe ebenso wie für Einzelpersonen  an. Wer sollte bei all diesen Geschenkpackungen auch noch Protest anmelden? Oder vielleicht Fragen aufwerfen? Vielleicht Fragen über die Bedingungen, zu denen diese „Vorteile“ erkauft werden?
Zu keinem Zeitpunkt wurde die Diskussion geführt, was denn konkret der Zwang zu 4 oder 5% Wirtschaftswachstum, zu einer gesteigerten Grenzgänger- und Einwandererquote bedeutet. Viele Fragen wurden in Bezug auf die Infrastrukturen schon gestellt, keine beantwortet. Warum meldet sich in dieser Diskussion überhaupt ein Umwelt- und Naturschützer zu Wort?
Eben weil sich das Gesicht Luxemburgs ändern wird. Wirtschaftswachstum bedeutet vermehrt Gewerbebetriebe, neuer Siedlungsraum, neue Transportwege etc. Dass solche Neubauten einen unvorhersehbaren Impakt auf unser Landschaftsbild haben werden, kann man jetzt schon im Umfeld der Stadt Luxemburg zur Kenntnis nehmen. Der einst definierte Grüngürtel ist verbaut, wir sind auf dem besten Weg, die Hauptstadt mit der Minetteregion zu verschmelzen, kleinere Ortschaften aneinander zu koppeln, Industriezonen konzeptlos ins Grüne einzupflanzen. Durch neue Verkehrsstrassen werden selbst die ruhigst gelegenen Örtchen erschlossen und rentabilisiert. Für wen?
Bestes Ackerland verschwindet täglich unter Tonnen Beton, zu einem Zeitpunkt wo sich jeder doch eine naturnahe Landwirtschaft erwünscht. Wo denn sollte diese sich abwickeln? Im Süden und im Zentrum des Landes kann ich jeden Landwirt verstehen, der so nicht mehr weitermachen will. Die einst naturnah gelegenen Bauernbetriebe werden eingekesselt von Bauten, verbannt aus dem Siedlungsbereich, Agrarräume werden zerschnitten durch Autobahntrassen, berieselt mit Abgasen, Geruchs- oder Lärmproblemen. Wo bleibt denn nun die Lebensqualität des Landwirtes? Wie sollte er die ach so gewünschten Naturprodukte herbeizaubern? Über ein Bodenschutzgesetz wird seit Jahren geredet, inzwischen aber rollen die Betonmischer munter weiter. Stand nicht etwa der Bodenschutz auf der Prioritätenliste der augenblicklichen Koalition?
Seit der Zeit der Evolutionsforscher von Darwin über Dan Simberloff bis Paul Ehrlich sind die simpelsten Regeln der Entwicklung, der Ausbreitung und der Grenzen aller Lebensformen bekannt. Allein der Zerschneidungseffekt in den einzelnen Naturräumen um den Faktor 10 bedeutet 50% Verlust an Arten. Autobahnarchitekten sollten sich doch vor jeder Planung einmal die „Roten Listen“ der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten und derer Lebensräume anschauen. Zerschneidungseffekte bestimmen auch unser Wohlfühlen in der Natur. Zusammengewachsene Landschaftsbilder sind nicht nur eine kulturelle Errungenschaft, sie wurden über Jahrhunderte von Mensch und Natur geprägt und können nicht von heute auf morgen entfremdet werden.
Im letzten Jahr hat Luxemburg eine europäische Konvention über Landschaftsschutz unterschrieben. Über deren Umsetzung geht jedoch in keiner Planung die Rede. Wäre es nicht längst an der Zeit, einmal jene Räume in Luxemburg zu definieren, wo Landschaftsverfremdung tabu ist. Doch wir wissen, dass seit kurzem die Eigenständigkeit eines Landesplanungsministeriums abgeschafft und ins Innenministerium integriert wurde. Seither ist recht wenig in Richtung Landschaftsschutz geschehen, doch geht die von Peter Edwards definierte „creeping degradation“ rasant weiter.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass rundum uns verschiedene Gegenden eine noch höhere Besiedlung aufweisen, als in Luxemburg angestrebt wird. Als wäre damit unser Problem gelöst. Die Weltgeschichte der Umwelt hat auf allen Kontinenten gezeigt, dass die Konzentration der Menschen in Megastädten immer nur Probleme gebracht, aber selten gelöst hat. Weshalb wird nicht gleichzeitig zur jetzigen Problematik eine alternative Diskussion um Ressourcenproduktivität geführt? Schon Ernst Ulrich von Weizsäcker hat die Diskussion um den Begriff „Ökoeffizienz“ in seinem Bericht „Faktor vier“  an den Club of Rome eröffnet (1997). Nach diesem Bericht kann aus einer Tonne Erdreich oder aus einem Fass Öl viermal soviel Wohlstand herausgeholt werden als bisher. Begnügen wir uns aber mit einer Verdoppelung des Wohlstandes, so können wir gleichzeitig den Naturverbrauch halbieren.  Japan diskutiert heute über den Begriff „Faktor zehn“. Wo bleibt die Diskussion in Luxemburg? Wurde je eine ökologische Handelsbilanz in Luxemburg angefertigt? Arthur Anderson hat eine Zukunftsstudie für Luxemburg angefertigt, aber auch diese Studie befand kein Entscheidungsträger als diskussionswürdig. Fazit: Luxemburg übernimmt weiterhin die Rolle der Laus im Schafsfell und baut seinen Wohlstand auf fragwürdige Konzepte und zweifelhafte Wertschöpfungen auf.
„Ihr habt es so gewollt!“, lautete letzte Woche der Kommentar des Staatsministers. Nein Herr Juncker! So einfach ist die Sache beileibe nicht. Niemand will dieses Luxemburg! Spielen wir doch mit offenen Karten und diskutieren wir das grundlegende Problem: die Frage nach der zukünftigen Lebensqualität. Wird Lebensqualität nur definiert durch gefüllte Geldbeutel, unbegrenzte Mobilität und kurzfristige Disponibilität von Gütern weltweit? Erst wenn wir in die Rechnung unseres Bruttosozialproduktes auch Parameter einbringen wie Landschaftszerstörung, Naturverbrauch, Artensterben, Eingrenzen von Freiräumen, Klimaerhitzung, Erosion, Grundwasserknappheit, Verlust von Erholungsarealen, Lärmbelästigung, etc. kann Lebensqualität errechnet werden. Doch dann wird Luxemburg nicht mehr so gut in den internationalen Statistiken abschneiden wie bisher.
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ sollte auch seinen Niederschlag in Rentendiskussionen und Budgetdebatten finden, ansonsten bleibt 10 Jahre nach Rio der „Respekt für die kommenden Generationen“ pures Palaver.

Pit Mischo
Präsident der Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga



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