ieper
Der Wiesenpieper (Anthus pratensis) war im November und Dezember
im ganzen Tal des Kiemelbachs anzutreffen, bis zu 20 Ex. Bei teilweise
überschwemmten Wiesen zählte ich deren am 21.12. sogar rund 40.
Am 5.1. waren es deren ca. 30, am ersten Kältetag nur mehr drei daselbst.
Am 10.1. stieg die Zahl auf ca. 30 Stück (nordische Kälteflüchter?),
am 11. nur mehr rund 20 Ex. und vom 12. bis zum 19. ca. 10 Ex. Die Pieper
gehören zur Familie der Stelzen, was ihr unterschiedliches Verhalten
im Vergleich zu den Feldlerchen erklärt: bei Überschwemmungen
stieg ihre Zahl an, sie hielten sich mit Vorliebe am Wassersaum auf. Bei
Kälteeinbruch hatten sie sich ein mehrere ha großes, mit Sumpfgräsern
bewachsenes Gelände am Kiemelbach als Standquartier ausgesucht wo
auch die 10 Ex. die Kälte gut überstanden. Während milden
Perioden liefen sie am Wasserrand entlang und pickten dort ihre Nahrung
auf. War das Wasser gefroren, so liefen sie behende über das Eis hinweg
und erreichten bequem einzelne Grasbüschel, die über die Wasserfläche
emporragten, und die sie bis dahin nicht absuchen konnten. Öfters
sah ich sie bei strengem Frost, aber schneefreier Erde, sich einem Feldlerchentrupp
beimischen. Im oberen Brill überwinternde 4 Stück beobachtete
ich bei Frost über das Eis am Rande des dürren Kolbenschilfs
umherlaufen und geschickt zwischen den Stengeln bis in das Dickicht hinein
nach Nahrung suchen. Später, bei schneebedeckter Erde, flatterten
sie gelegentlich auf umgeknicktem Schilf umher und so benutzten sie auch
diese schneefreie Zone zum Nahrungserwerb. Am Kiemelbach war der Sumpf
den Piepern besonders bei Schneefall günstig: durch unterirdisch emporsickerndes
Wasser war das Eis an vielen Stellen "mürbe" und fallender Schnee
schmolz gleich ab. An solch ausnahmsweise günstigen Stellen können
sie auch strenge Frostperioden überstehen. Während dieser Zeit
waren sie wenig scheu und hielten sich oft einen halben Meter von der Straße
entfernt auf. Vorbeidonnernde Lastkraftwagen erschreckten sie meist nicht:
sie duckten sich bloß; gegen Fußgänger und Radfahrer waren
sie empfindlicher: sie flüchteten spätestens bei 10 Meter Entfernung.
Wasserpieper (Anthus spinoletta). An derselben sumpfigen Stelle
am Kiemelbach und in Gesellschaft der Wiesenpieper überwinterte ein
Wasserpieper. Diese Art soll sich, den bisherigen Angaben nach zu urteilen,
sehr selten bei uns aufhalten: 3 Fälle wurden bisher bekannt, alle
Ende März. Wahrscheinlich ist er aber nicht so selten wie die spärlichen
Beobachtungen erscheinen lassen. Im angrenzenden Rheinland jedenfalls ist
er nach F. Neubaur (4) "Regelmäßiger Wintergast im ganzen Gebiet,
jedoch in geringer Zahl, . . ." Für Hessen geben L. Gebhardt und W.
Sunkel an (2 ): " . . . ist der Wasserpieper ein mehr oder weniger in Erscheinung
tretender Winter- und Durchzugsgast." Am 13.1.60 gewahrte ich unter einer
Schar Wiesenpieper einen der sich etwas abseits aufhielt. Er schien schlanker
und größer als die andern, sein Rücken war brauner als
der des Wiesenpiepers und fast einfarbig. Leider konnte ich den hellen
Augenstreifen nicht ausmachen, weil der Vogel zu scheu war. Tags darauf
gelang es mir den Pieper genauer zu betrachten, wobei ich den hellen Augenstreifen
sowohl mit 7-facher als auch mit 44-facher Optik feststellen konnte. Am
15. und 16. sah ich ihn jedes Mal nur flüchtig. Am 19. konnte ich
ihn etwa 1/4 Stunde lang aus 5-8 Meter Entfernung mit einem 7x50 Prismenglas
studieren : Bei der Nahrungssuche in der nassen Vegetation hatte der Vogel
das Kopfgefieder durchnässt, so dass der Augenstreif kaum zu sehen
war. Ein Wiesenpieper, der sich 2 Meter daneben aufhielt, bot mir ausgezeichnete
Vergleichsmöglichkeiten. Verschiedene feine Unterschiede können
im freien Feld überhaupt nur durch direkten Vergleich erkannt werden:
so zum Beispiel der Schnabel, der beim Wasserpieper etwas länger war,
die Beine, die er dunkel gefärbt hatte, während sie beim Wiesenpieper
zart fleischfarben aussehen. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei Freilandbeobachtungen
ist die Färbung der Oberseite: diese war beim Wasserpieper braun und
nahezu ohne Musterung, während der Wiesenpieper eine verhältnismäßig
stark gemusterte Rückenpartie hatte. Die Striche auf der Brust des
Wiesenpiepers waren scharf umgrenzt; beim Wasserpieper waren sie etwas
länger und sehr undeutlich gezeichnet; außerdem reichten die
Striche bei ihm nicht so weit abwärts und seitwärts als beim
Wiesenpieper. Die Schwanzkanten beider Arten waren weiß. Der Wasserpieper
sah mehr stelzenartig aus, während der Wiesenpieper rundlicher und
gedrungener wirkte; auch wippte der Wasserpieper öfter und merklicher
mit dem Schwanz. Er lief über das Eis, auf dem sich schon kleine Tümpel
Schmelzwasser gebildet hatten; seine Nahrung pickte er auf dem Eis, auf
der Wasseroberfläche und an Seggenbüscheln auf. Auch lief er,
wie der Wiesenpieper, ohne zu zögern mit den Füßen durch
seichtes Wasser. Am 23.1. sah ich ihn zum letzten Mal. Am 10. 3. beobachtete
ich wieder ein Exemplar an derselben Stelle. In der Zwischenzeit aber konnte
keiner mehr festgestellt werden, was aber nicht heißen soll, es wäre
wirklich keiner mehr da gewesen!
F. Neubaur (4) schreibt über den Wasserpieper: "Die Art zeigt
im Winterquartier eine ausgesprochene Vorliebe für steinige Flussufer
und Steindämme am Wasser." Dasselbe wurde bei uns bestätigt:
er hielt sich meist hart an der Straße auf, welche man wohl auch
als eine Art Steindamm ansehen kann. Weiter schreibt F. Neubaur: "Es ist
wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass alle bei uns beobachteten Wasserpieper
vom Schwarzwald und von den Vogesen, vielleicht sogar von den Nordalpen
herstammen, da spinoletta spinoletta nördlich von uns nicht mehr als
Brutvogel vorkommt." Dasselbe muß wohl auch für unser Land stimmen.
Am 26. März 1960 konnte ich wiederum zwei Exemplare am Kiemelbach
beobachten. Diese beiden Vögel waren schon zum größten
Teil in ihrem Sommerkleid, während bei dem Wasserpieper vom 10.3.
noch keine auffallende Veränderung im Vergleich zu dem Januarvogel
zu bemerken war (letzterer war vielleicht der Vogel der überwinterte).
J. Morbach (8) schreibt: "Letztere (die Altvögel, d.A.) haben
außerdem eine Teilmauser, die um die Jahreswende einsetzt, aber erst
im April beendet ist." Meiner Ansicht nach handelte es sich bei diesen
beiden Vögeln vom 26.3. um Durchzügler. Auffallend ist, dass
gleich 4 Beobachtungen an 3 verschiedenen Orten und in vier verschiedenen
Jahren, in eine Zeitspanne von acht Tagen Ende März fallen:
23.3.1935 1 Exemplar (Morbach)
26.3.1960 2 Exemplare (Peltzer)
27.3.1864 1 Exemplar (de la Fontaine)
30.3.1958 2 Exemplare (Lieftinck)
Um diesen Zeitpunkt wird also wohl der stärkste Durchzug bei uns
stattfinden. Die Richtung von unserm Land aus zu den nächstgelegenen
Brutgebieten (Vogesen und Schwarzwald) läuft südöstlich.
Das Überwinterungsgebiet dieser Durchzügler müsste dann
in Belgien und eventuell in Holland zu suchen sein und diese NW-SE Zugrichtung
eine größere Abweichung von der Hauptzugrichtung im Frühjahr
(SW-NE) bei uns sein.
Die beiden Vögel vom 26.3. sahen folgendermaßen aus: die
Rückenpartie war graubraun (statt braun im Winterkleid). Die Bruststriche
waren nur noch angedeutet, die Brust hatte einen schwachen rötlichen
Schimmer. Der Oberaugenstreif war breiter und auffallender als im Winter
und auf den Flügeln traten zwei weiße Querbinden zum Vorschein.
In diesem Kleid ist er nicht mehr mit dem Wiesenpieper zu verwechseln.
Die Wasserpieper hielten sich auch nicht mit diesen auf, sondern waren
allein oder in Fressgemeinschaft mit der Rohrammer.
Über ihre Stimme konnte ich keine Notizen machen, da sie wenig
riefen, und im übrigen ihre Rufe in dem Wirrwarr der Wiesenpieperstimmen
untergingen. Abschließend sei noch bemerkt, dass der Wasserpieper
auch in diesem Winter im Röserbann festgestellt wurde. |