LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl
Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 1960/3 S. 51-62
Winterbeobachtungen im Flachland nördlich von Esch-Alzette.
Der Winter 1959-60 war durch klimatische Kontraste gekennzeichnet. Große Trockenheit, als Resultat des überaus heißen Sommers, wechselte gegen Ende Dezember mit starken Regenfällen ab und die milde Witterung der Monate November und Dezember wurde Mitte Januar (9.-18.) von einer strengen Kälte abgelöst (Temperaturminimum -16 am 14.; Schneedecke bis 7 cm hoch). Diese Witterung setzte sich mit Unterbrechungen und in gemilderter Form bis Ende Februar fort; dann brach plötzlich milde Witterung herein, die den Rückzug der Vögel außerordentlich förderte. Die eigentlichen Winterbeobachtungen kann man dieses Jahr schon gegen den 20. Februar abbrechen, denn von da ab wickelte sich infolge der milden Witterung ein starker Frühjahrsdurchzug ab. Interessant ist es nun, die Reaktion verschiedener Vogelarten auf diese Klimaschwankungen zu untersuchen. Wenn auch das winterliche Vorkommen und Verhalten von Finken, Meisen usw. einigermaßen bekannt ist, weil diese Vögel sich in der Nähe des Menschen an den Futterstellen bemerkbar machen, so ist das nicht der Fall für die meisten Vögel in Feld, Wiese und Sumpf. Als sehr geeignete Gegend zum Studium dieser Arten hat sich das Flachland nördlich von Esch erwiesen, wo alle diese Biotope vertreten sind.

 
abenvögel
In der Umgebung von Esch überwinterten zahlreiche Saatkrähen (Corvus frugilegus). Normalerweise belagern ansehnliche Scharen die Schutthalden; ihre Zahl nimmt dort bedeutend zu während Frostperioden und bei schneebedeckter Erde. Auf den flachen Wiesen finden sie sich zahlreich ein nach Überschwemmungen und bei Tauwetter, wohl um totes Getier und sonstigen Unrat aufzulesen. Ihre Höchstzahl betrug zwischen 500 und 800 Exemplaren. Die Mehrzahl der Vögel besteht aus Saatkrähen; verhältnismäßig wenige Rabenkrähen sind darunter gemischt.
Dohlen (Coleus monedula) waren nur ausnahmsweise auf den Wiesen anzutreffen; auf den Schutthalden waren sie bei weitem weniger zahlreich als sommersüber, was auf Wegzug hindeutet.
Zu drei verschiedenen Malen hatte ich Gelegenheit eine badende Rabenkrähe (Corvus corone) zu beobachten: sie stand jeweils bis zum Bauchgefieder im seichten Wasser einer überfluteten Wiese; auch der Schwanz war unter Wasser getaucht. Etwa 12 bis 15 Mal hintereinander bückte sie sich und schlug mit beiden Flügeln im Wasser umher, dass es aufspritzte. Dann flog sie auf eine Wiese, wo sie ihrer Nahrung nachging. Am 6. Februar (!) konnte ich schon ein balzendes Männchen beobachten: vor dem Weibchen auf einem Ast sitzend legte es den Kopf in den Nacken und stieß unter Flügel- und Schwanzfächern mehrmals einen Ruf aus, der genau wie das Knarren einer langsam geöffneten Tür klang. Anschließend jagte das Paar im Gaukelflug über die Flur. Es stellt sich die Frage, ob die Paare schon um diese Zeit zusammenhalten oder ob es sich nur um eine Spielerei handelte? Vergleiche hierzu J. Morbach (7) : "Anfang März paaren sich die Rabenkrähen".
Auch die Elster (Pica pica) war meist in einigen Stücken auf den Wiesen zu finden. Bei schneebedeckter Erde hielt sich eine in unmittelbarer Nähe von zwei Hasen auf, wohl um unter dem von ihnen aufgewühlten Schnee nach Nahrung zu suchen. Andererseits war die Elster den beiden Hasen, die am helllichten Tag auf dem Schnee gut sichtbar waren, ein willkommener "Warnapparat". Hier haben wir ein gutes Beispiel von einer umstandsbedingten Fressgemeinschaft zwischen Säugetier und Vogel.

 
tare (Sturnus vulgaris).
Besonders nahrungsreich müssen die flachen Wiesen längs des Kiemelbaches zwischen Foetz und dem Dumonthof nach Regenfällen sein. Wenn der Grund sich, wegen der Flachheit des Geländes, voll Wasser gesaugt hat, treiben sich zahlreiche Stare und Rabenvögel nahrungssuchend darauf herum: sie sind die typischen "Nahrungsanzeiger" in den Wintermonaten. So schätzte ich am 14.11. die Stare auf 1000 Exemplare. Am 21.12. standen die Wiesen teilweise einige Zentimeter unter Wasser. Besonders am Rande der Wasserzonen suchten die Stare nach Nahrung, es waren deren nahezu 3000! Diese dichtgedrängten Vögel konnten in einer Rekordzeit eine größere Fläche nach Nahrung absuchen und so war ein ausnahmsweise schnelles Voranschreiten des Schwarmes festzustellen. Am 26.12., als die Wiesen stark überschwemmt waren, fanden sich deren nur mehr etwa 1000 ein; die absuchbare Fläche war verringert und wahrscheinlich waren die Nahrungsverhältnisse nicht mehr so günstig auf der restlichen Fläche oder andere Gegenden boten ihnen reichere Nahrung. Am 28.12. waren noch ca. 500 Stare daselbst. Diese örtliche Konzentration der überwinternden Stare, bedingt durch reichliches Nahrungsangebot, zeigt uns erst recht, in welchem Maßstab sie die milden Winter bei uns verbringen, denn bis zum Januar war der Winter durchaus mild. Vom 9. Januar an stellte sich strenger Frost ein. Die Stare waren von nun ab weniger zahlreich auf den Wiesen und anfangs in Gesellschaft von Wacholderdrosseln. Am 12. und 13. waren nur mehr einige dort; die meisten hatten sich wohl auf die Schutthalden (auf derjenigen am Schifflinger Brill 200 bis 400 Ex.) und in die Ortschaften zurückgezogen. Dass die Stare auch im Winter gelegentlich Schaden anrichten, beweist folgende Beobachtung: am 19.12. ist eine 40-köpfige Schar in unserem Garten, die längere Zeit Blätter des Mausohrsalats abzupft und verzehrt, so dass dieser nicht mehr brauchbar war.

 
inken und Ammern
Auch der Distelfink (Carduelis carduelis) wurde in der milden ersten Winterhälfte bei Esch festgestellt. Im Herbst am 24.10. der letzte bei Esch; ferner am 16.12. 7 Ex., am 21.12. 12 Ex. und am 8.1. 2 Ex. Es ist schon erstaunlich, dass einer bei starker Kälte aushielt: ein einzelner Vogel überfliegt den Kiemelbach in NW Richtung am 15.1. Das Überwintern des Distelfinks ist bei uns durch folgende Eigenarten gekennzeichnet: Die Winterbeobachtungen der letzten Jahre sind nicht gerade zahlreich und die Zahl der Vögel jeweils beschränkt; gewöhnlich verbleiben die Vögel nicht länger an einer Stelle, sondern streichen umher. Ob diese Vögel überhaupt einheimische sind, müsste noch durch Beringung ermittelt werden.
Der Erlenzeisig (Carduelis spinus) ist eigentlich Durchzügler; doch überwintert wohl jährlich eine Anzahl bei uns. Ich stellte ihn am 12.12. im Langholzerwald fest; am 23.12. lockte er über dem Dumontshof. Bei Esch zogen am 4.1. nachmittags zwei Scharen von 35 und 30 Vögeln in südwestlicher Richtung: Rückzug vor der Kälte und zwar schon 5 Tage bevor sie bei uns einsetzte!

Viele Buchfinken (Fringilla coelebs) überwintern bei uns; bei Frost und Schnee sind sie in der offenen Landschaft vor allem an Straßenböschungen (hohe Vegetation von Unkraut, Schneeblößen vom Wind, vorzeitiges Abschmelzen bei Sonnenschein) und an Schutthalden anzutreffen. Über das Verhältnis zwischen Männchen und Weibchen bei den ausharrenden Vögeln sei als Anhaltspunkt angegeben, dass bei Foetz am 9. u. 10.1. (Frost) in einem Trupp von 16 Buchfinken 6 Weibchen waren; an meinem Futterplatz war unter 4 Ex. ein Weibchen (16.1.). Auf alle Fälle kann man sagen, dass die Männchen zahlreicher überwintern als die Weibchen. Es fällt schwer ein "genaues" Verhältnis herauszustellen, da es doch je nach Örtlichkeit und Wetterbedingungen sehr stark variieren kann; außerdem müsste man hierzu auf langjährige Untersuchungen zurückgreifen können.
Den Bergfink (Fringilla montifringilla) notierte ich am 15.1. zum ersten Mal beim Dumontshof: vormittags kamen 3 Ex. aus nördlicher Richtung angeflogen; durch vorhandene Wiesenpieper angelockt, ließen sie sich einige Augenblicke auf den dürren Seggen nieder; bald merkten sie, dass es nicht der rechte Ort für sie sei, und flogen weiter.

Es ist schon nachgewiesen, dass die Grauammer (Emberiza calandra) auch gelegentlich während strengen Frostperioden bei uns durchhält. Diesen Winter, der ja größtenteils milde war, konnte ich trotz aller Aufmerksamkeit an den Brutplätzen bei Schifflingen und Esch keine Standvögel antreffen. Im Herbst konnte ich den letzten Vogel am 28.9. beobachten; er gab sogar noch eine kurze Gesangstrophe zum besten.
Die Goldammern (Emberiza citrinella) hielten sich zeitweilig bis zu 50 Ex. an der Schutthalde beim Schifflinger Brill auf.
Eindeutige Winterbeobachtungen der Rohrammer (Emberiza schoeniclus) wurden in den letzten 9 Jahren nicht mehr bei uns bekannt, trotzdem sie in der Literatur (1) auch als Standvogel angegeben wird. Am 4.1. tauchten plötzlich 3 Ex., 1 Männchen und 2 Weibchen, in einem Seggenbestand am Kiemelbach auf. In den vorhergehenden Monaten waren keine daselbst und die zwei letzten wurden am Brutplatz im kleinen Brill am 25.9. notiert. Scheinbar waren es also nordische Vögel die (gleich den Erlenzeisigen) auf dem Rückzug vor der Kälte waren, hier aber Winterquartier machten. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Tagen, wo sie die Nahrung im Herumklettern an den dürren Sumpfgräsern suchten, hielten sie sich am 10.1. (Frost!) gleich den Wiesenpiepern am Boden auf. Bis zum 23.1. beobachtete ich sie an verschiedenen Stellen längs dem Kiemelbach. Am 26.2. langten die ersten Rückzügler schon an (5 Stück).


 
erchen
Bis zu zwei Dutzend Feldlerchen (Alauda arvensis) hielten sich in den Monaten November bis Dezember auf den Wiesen längs des Kiemelbachs auf. Die Kältewelle, die am 9.1. begann, konnte sie nicht abschrecken: am 9.1. waren deren noch da. Am 11. 14 Stück nahrungssuchend auf einer Wiese. Am 12. 12 Ex. daselbst, zu denen sich 10 Wiesenpieper gesellschaftet hatten, eine beim großen Brill und 28 auf Wiesen auf "Lankhelzerweiher"; nur eine geringe Schneedecke lag an diesem Tage. Am 13., bei derselben Schneedecke, 6 Feldlerchen auf Wiesen am Kiemelbach in Gesellschaft von einigen Wiesenpiepern und 4 beim großen Brill. Am 14. dieselbe Zahl trotzdem der Schnee höher liegt. Am 15. lag eine 7 cm hohe Schneedecke: keine Lerchen mehr am Kiemelbach, wohl aber 20 auf einem zugeschneiten Acker beim Schifflinger Brill. Am 16. wurde keine gesehen. Am 18. lockt eine über dem Kiemelbach; beim Dumontshof 2 Stück, davon eine nahrungssuchend auf dem plattgefahrenen Schnee der Straße! Es ist bekannt, dass man Feldlerchen in dieser Zahl jeden Winter bei uns beobachten kann. Da ihre Nahrung aus Sämereien, grünen Pflanzenteilen und Insekten besteht, hat sie auch bei strengem Frost noch genügend Nahrung auf bloßer Erde. Liegt aber eine höhere Schneedecke darüber, so kommt ihre Ernährung in ein kritisches Stadium; dann sucht sie eventuell Orte auf, wo man sie sonst kaum antrifft. Ich hatte mir erwartet sie bei Schneefall in brachliegenden Wiesen mit hoher Unkraut- oder Sumpfvegetation vorzufinden, da sie dort immerhin noch über den Schnee ragende Pflanzenteile antrifft: jedoch konnte ich nichts dergleichen feststellen; nach wie vor hielten sie sich auf Wiesen und Feldern auf!
Am 14.1. traf ich als flüchtigen Gast eine Haubenlerche (Galerida cristata) auf einer vegetationslosen Parzelle am Kiemelbach an.

 
ieper
Der Wiesenpieper (Anthus pratensis) war im November und Dezember im ganzen Tal des Kiemelbachs anzutreffen, bis zu 20 Ex. Bei teilweise überschwemmten Wiesen zählte ich deren am 21.12. sogar rund 40. Am 5.1. waren es deren ca. 30, am ersten Kältetag nur mehr drei daselbst. Am 10.1. stieg die Zahl auf ca. 30 Stück (nordische Kälteflüchter?), am 11. nur mehr rund 20 Ex. und vom 12. bis zum 19. ca. 10 Ex. Die Pieper gehören zur Familie der Stelzen, was ihr unterschiedliches Verhalten im Vergleich zu den Feldlerchen erklärt: bei Überschwemmungen stieg ihre Zahl an, sie hielten sich mit Vorliebe am Wassersaum auf. Bei Kälteeinbruch hatten sie sich ein mehrere ha großes, mit Sumpfgräsern bewachsenes Gelände am Kiemelbach als Standquartier ausgesucht wo auch die 10 Ex. die Kälte gut überstanden. Während milden Perioden liefen sie am Wasserrand entlang und pickten dort ihre Nahrung auf. War das Wasser gefroren, so liefen sie behende über das Eis hinweg und erreichten bequem einzelne Grasbüschel, die über die Wasserfläche emporragten, und die sie bis dahin nicht absuchen konnten. Öfters sah ich sie bei strengem Frost, aber schneefreier Erde, sich einem Feldlerchentrupp beimischen. Im oberen Brill überwinternde 4 Stück beobachtete ich bei Frost über das Eis am Rande des dürren Kolbenschilfs umherlaufen und geschickt zwischen den Stengeln bis in das Dickicht hinein nach Nahrung suchen. Später, bei schneebedeckter Erde, flatterten sie gelegentlich auf umgeknicktem Schilf umher und so benutzten sie auch diese schneefreie Zone zum Nahrungserwerb. Am Kiemelbach war der Sumpf den Piepern besonders bei Schneefall günstig: durch unterirdisch emporsickerndes Wasser war das Eis an vielen Stellen "mürbe" und fallender Schnee schmolz gleich ab. An solch ausnahmsweise günstigen Stellen können sie auch strenge Frostperioden überstehen. Während dieser Zeit waren sie wenig scheu und hielten sich oft einen halben Meter von der Straße entfernt auf. Vorbeidonnernde Lastkraftwagen erschreckten sie meist nicht: sie duckten sich bloß; gegen Fußgänger und Radfahrer waren sie empfindlicher: sie flüchteten spätestens bei 10 Meter Entfernung.

Wasserpieper (Anthus spinoletta). An derselben sumpfigen Stelle am Kiemelbach und in Gesellschaft der Wiesenpieper überwinterte ein Wasserpieper. Diese Art soll sich, den bisherigen Angaben nach zu urteilen, sehr selten bei uns aufhalten: 3 Fälle wurden bisher bekannt, alle Ende März. Wahrscheinlich ist er aber nicht so selten wie die spärlichen Beobachtungen erscheinen lassen. Im angrenzenden Rheinland jedenfalls ist er nach F. Neubaur (4) "Regelmäßiger Wintergast im ganzen Gebiet, jedoch in geringer Zahl, . . ." Für Hessen geben L. Gebhardt und W. Sunkel an (2 ): " . . . ist der Wasserpieper ein mehr oder weniger in Erscheinung tretender Winter- und Durchzugsgast." Am 13.1.60 gewahrte ich unter einer Schar Wiesenpieper einen der sich etwas abseits aufhielt. Er schien schlanker und größer als die andern, sein Rücken war brauner als der des Wiesenpiepers und fast einfarbig. Leider konnte ich den hellen Augenstreifen nicht ausmachen, weil der Vogel zu scheu war. Tags darauf gelang es mir den Pieper genauer zu betrachten, wobei ich den hellen Augenstreifen sowohl mit 7-facher als auch mit 44-facher Optik feststellen konnte. Am 15. und 16. sah ich ihn jedes Mal nur flüchtig. Am 19. konnte ich ihn etwa 1/4 Stunde lang aus 5-8 Meter Entfernung mit einem 7x50 Prismenglas studieren : Bei der Nahrungssuche in der nassen Vegetation hatte der Vogel das Kopfgefieder durchnässt, so dass der Augenstreif kaum zu sehen war. Ein Wiesenpieper, der sich 2 Meter daneben aufhielt, bot mir ausgezeichnete Vergleichsmöglichkeiten. Verschiedene feine Unterschiede können im freien Feld überhaupt nur durch direkten Vergleich erkannt werden: so zum Beispiel der Schnabel, der beim Wasserpieper etwas länger war, die Beine, die er dunkel gefärbt hatte, während sie beim Wiesenpieper zart fleischfarben aussehen. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei Freilandbeobachtungen ist die Färbung der Oberseite: diese war beim Wasserpieper braun und nahezu ohne Musterung, während der Wiesenpieper eine verhältnismäßig stark gemusterte Rückenpartie hatte. Die Striche auf der Brust des Wiesenpiepers waren scharf umgrenzt; beim Wasserpieper waren sie etwas länger und sehr undeutlich gezeichnet; außerdem reichten die Striche bei ihm nicht so weit abwärts und seitwärts als beim Wiesenpieper. Die Schwanzkanten beider Arten waren weiß. Der Wasserpieper sah mehr stelzenartig aus, während der Wiesenpieper rundlicher und gedrungener wirkte; auch wippte der Wasserpieper öfter und merklicher mit dem Schwanz. Er lief über das Eis, auf dem sich schon kleine Tümpel Schmelzwasser gebildet hatten; seine Nahrung pickte er auf dem Eis, auf der Wasseroberfläche und an Seggenbüscheln auf. Auch lief er, wie der Wiesenpieper, ohne zu zögern mit den Füßen durch seichtes Wasser. Am 23.1. sah ich ihn zum letzten Mal. Am 10. 3. beobachtete ich wieder ein Exemplar an derselben Stelle. In der Zwischenzeit aber konnte keiner mehr festgestellt werden, was aber nicht heißen soll, es wäre wirklich keiner mehr da gewesen!
F. Neubaur (4) schreibt über den Wasserpieper: "Die Art zeigt im Winterquartier eine ausgesprochene Vorliebe für steinige Flussufer und Steindämme am Wasser." Dasselbe wurde bei uns bestätigt: er hielt sich meist hart an der Straße auf, welche man wohl auch als eine Art Steindamm ansehen kann. Weiter schreibt F. Neubaur: "Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass alle bei uns beobachteten Wasserpieper vom Schwarzwald und von den Vogesen, vielleicht sogar von den Nordalpen herstammen, da spinoletta spinoletta nördlich von uns nicht mehr als Brutvogel vorkommt." Dasselbe muß wohl auch für unser Land stimmen.
Am 26. März 1960 konnte ich wiederum zwei Exemplare am Kiemelbach beobachten. Diese beiden Vögel waren schon zum größten Teil in ihrem Sommerkleid, während bei dem Wasserpieper vom 10.3. noch keine auffallende Veränderung im Vergleich zu dem Januarvogel zu bemerken war (letzterer war vielleicht der Vogel der überwinterte).
J. Morbach (8) schreibt: "Letztere (die Altvögel, d.A.) haben außerdem eine Teilmauser, die um die Jahreswende einsetzt, aber erst im April beendet ist." Meiner Ansicht nach handelte es sich bei diesen beiden Vögeln vom 26.3. um Durchzügler. Auffallend ist, dass gleich 4 Beobachtungen an 3 verschiedenen Orten und in vier verschiedenen Jahren, in eine Zeitspanne von acht Tagen Ende März fallen:
23.3.1935 1 Exemplar (Morbach)
26.3.1960 2 Exemplare (Peltzer)
27.3.1864 1 Exemplar (de la Fontaine)
30.3.1958 2 Exemplare (Lieftinck)
Um diesen Zeitpunkt wird also wohl der stärkste Durchzug bei uns stattfinden. Die Richtung von unserm Land aus zu den nächstgelegenen Brutgebieten (Vogesen und Schwarzwald) läuft südöstlich. Das Überwinterungsgebiet dieser Durchzügler müsste dann in Belgien und eventuell in Holland zu suchen sein und diese NW-SE Zugrichtung eine größere Abweichung von der Hauptzugrichtung im Frühjahr (SW-NE) bei uns sein.
Die beiden Vögel vom 26.3. sahen folgendermaßen aus: die Rückenpartie war graubraun (statt braun im Winterkleid). Die Bruststriche waren nur noch angedeutet, die Brust hatte einen schwachen rötlichen Schimmer. Der Oberaugenstreif war breiter und auffallender als im Winter und auf den Flügeln traten zwei weiße Querbinden zum Vorschein. In diesem Kleid ist er nicht mehr mit dem Wiesenpieper zu verwechseln. Die Wasserpieper hielten sich auch nicht mit diesen auf, sondern waren allein oder in Fressgemeinschaft mit der Rohrammer.
Über ihre Stimme konnte ich keine Notizen machen, da sie wenig riefen, und im übrigen ihre Rufe in dem Wirrwarr der Wiesenpieperstimmen untergingen. Abschließend sei noch bemerkt, dass der Wasserpieper auch in diesem Winter im Röserbann festgestellt wurde.


 
telzen
Gebirgsstelzen (Motacilla cinerea) überwintern regelmäßig in unserem Land. Am 29.12. sah ich ein einzelnes Männchen auf einem Weg beim Schifflinger Brill. Dieser Vogel, der augenblicklich kaum in der Escher Gegend brütet, wird wohl auch nur gelegentlich und für kurze Zeit in den Wintermonaten dort auftauchen.

In der Winterzeit erscheint die Bachstelze (Motacilla alba) vereinzelt und meist für kurze Zeit bald hier, bald dort bei uns, jedoch nicht in jedem Winter. Den ganzen Winter an einer Stelle verbringende Bachstelzen werden wohl seltener festgestellt. Die letzte war am 1.10. bei Schifflingen. Diesen Winter sah ich deren 2 am 21.12. am Kiemelbach nach Überschwemmung und eine einzelne am 11.1. auf dem Eis des zugefrorenen Baches. Eine weitere war am 6.2. beim Schifflinger Brill. Am 26.2. schon Ankunft von Durchzüglern!


 
rosseln
Am 14.11. waren die ersten (ca. 100) Wacholderdrosseln (Turdus pilaris) beim Dumontshof anzutreffen. Sie suchten ihre Nahrung auf Äckern und Weiden, bei Störung flogen sie auf die Hecken. Es handelte sich offenbar um Durchzügler, denn am 16. waren keine mehr aufzutreiben. Die nächsten erschienen am ersten Tag der Januarkälte (am 9. ca. 70) in Gesellschaft von Staren auf einer Wiese. Am 10. und 11. waren es deren nur mehr 40-50. Am 12. hatte sich die Gesellschaft wohl aufgelöst, denn es wurden nur mehr einzelne an verschiedenen Stellen gesehen (Kiemelbach, großer Brill). Am 15.1. sah ich deren wiederum zwei bei schneebedeckter Erde im dürren Kolbenschilf des oberen Brill nach Nahrung suchen. Am 20.2. eine und am 26.2. ein Dutzend am Kiemelbach.

Die Rotdrossel (Turdus iliacus), für gewöhnlich nur Durchzügler, war dieses Jahr auch als Wintergast anzutreffen. Am 31.12. sangen etwa 120 Stück bei Steinbrücken im Chor. Sie wurden aber wahrscheinlich durch die Kälte abgedrängt. Am 28.2. wiederum 1 Ex. beim Zementwerk und am 29.2. 4 Ex. am Dipbach (Rückzügler).

Die Amsel (Turdus merula) ist bei uns kein ausgesprochener Zugvogel. Sie war auch während der Kälte überall vertreten, nicht nur in der Nähe von Siedlungen. Am 5.1. beobachtete ich einen Trupp von 11 Ex. der über den Kiemelbach in SO-Richtung zog. Es waren wohl nordische Vögel die sich noch bevor Kälteeinbruch südlicher zurückzogen. Diese Beobachtung ist umso bemerkenswerter, als ziehende Amseln schon während der Zugzeit nur selten notiert wurden.


 
reifvögel
Wo reiches Vogelleben im Winter ist, stellt auch gern der Wanderfalke (Falco peregrinus) sich ein. Am Kiemelbach saß am 19.12. ein Ex. lauernd auf einem Pfahl. Am 7.1. ruhte einer auf einem Weidenbaum am oberen Brill. Als er abgeflogen war, suchte ich unter dem Baum nach: Viele Kotspritzer deuteten auf einen längeren Aufenthalt hin. Auf dem Boden fand ich die Rupfung eines Teichhuhnes und ein Gewölle. Dieser Fang weicht schon etwas von der Regel ab: gewöhnlich schlägt der Wanderfalke nur fliegende Beute und das Teichhuhn ist gerade für seine Flugunfreudigkeit bekannt. O. Uttendörfer führt denn auch auf seiner Beuteliste, die am Horst aufgestellt wurde, von 6410 Vögeln nur ein Teichhuhn an (6). Außerdem wurden in der Escher Gegend noch 3 Starenrupfungen vom Wanderfalken gesammelt. Besonders fiel mir am 7.1. das Verhalten eines Rotkehlchens gegenüber dem Wanderfalken auf: Anstatt sich seinen Blicken zu entziehen, saß das Rotkehlchen am äußersten Rand einer Schwarzdornhecke und kehrte die rote, von der Sonne bestrahlte Brust dem Falken zu. Der Wanderfalke saß auch in dieser Richtung blickend da und konnte das Rotkehlchen kaum übersehen, denn sie waren nur rund 40 Meter voneinander entfernt. Das Rotkehlchen gab auch keinen Warnruf von sich und schien nicht einmal geängstigt.

Fast alljährlich kann man einzelne überwinternde Turmfalken (Falco tinnunculus) an geeigneten Stellen antreffen; wie schon im Winter 1957-58 war er auch dieses Jahr in zwei Revieren bei Esch Standvogel und in zwei weiteren bei Rümelingen (Peltzer Josy). Am 28.12. beobachtete ich zuletzt das Weibchen am Kiemelbach, das Männchen hielt aber während der Kälteperiode aus: bei 7 cm Schnee saß es lauernd auf einem Pfahl, hart am Bach; jedoch beobachtete ich es nicht beim Schlagen einer Beute.

Unser erster Faunist, A. de la Fontaine (1 ), schreibt über den Rauhfußbussard (Buteo lagopus): "C'est un oiseau rare qui ne nous visite pas régulièrement. A ma connaissance, il n'a encore été tué une fois." Auch J. Morbach (3) gibt ihn in der Fauna Avium Luxemburgensis (1951) noch als "seltenen Wintergast" an! Ganz kontrastreich hierzu stehen die Beobachtungen der letzten Jahre: der Rauhfußbussard wurde allwinterlich und an den verschiedensten Orten bei uns beobachtet. Stellt sich die Frage ob tatsächlich der Rauhfußbussard ausgerechnet in den letzten Jahren weniger selten ist oder ob er früher tatsächlich nicht in dem Maße bei uns überwinterte? Es ist doch wohl anzunehmen, dass A. de la Fontaine seine Augen nicht "in der Tasche" hatte! Wie dem auch sei, nach den neuesten Ermittlungen zu urteilen kann er im ganzen Land als regelmäßiger - wenn auch nicht gerade häufiger Wintergast angesehen werden.
So war ein Exemplar, das ich an der markanten Musterung des Brustgefieders immer wiedererkannte, vom 1. Oktober bis zum 31. Januar in der Gegend nördlich von Esch. Sein Jagdrevier hatte während dieser Zeit mindestens einen Durchmesser von 3 km, reine Flurlandschaft mit eingestreuten Feldgehölzen, das er obendrein noch mit 1 -2 Turmfalken und gelegentlich einigen Mäusebussarden teilte.
Als charakteristischer Tundravogel lauert der Rauhfußbussard oft auf ebener Erde, ja er scheint sie sogar den Pfählen vorzuziehen: ich beobachtete ihn 3 mal wie er zuerst auf einem Pfahl landete, kurz darauf sich aber ins Gras daneben setzte. Über ebene Erde schreitend beobachtete ich ihn viermal, auf einem Straßenbaum sitzend einmal. Dies will jedoch nicht heißen, der Mäusebussard sitze nie auf ebener Erde und der Rauhfußbussard nie auf einem Pfahl! Ich beobachtete ihn öfter bei seiner Jagd, die etwas von der des Mäusebussards abweicht. Er sitzt auf ebener Erde und scheint in die Ferne zu blicken; plötzlich erhebt er sich und stürzt etwa 2 Meter daneben auf seine Beute. Hat er sie verfehlt, so macht er mit erhobenen Flügeln einen zweiten Sprung. Anschließend bückt er sich um die Beute zu töten und verschlingt sie ganz; einmal konnte ich auch sehen wie er sie vorher zerlegte. Seine Jagdmethode ist jedenfalls erfolgreich; am 13.12. hatte er innerhalb 5 Minuten 2 Mäuse (spec.) gefangen, am 23.12. fing er deren ebenfalls 2 innerhalb 2 Minuten. Da er weniger scheu war als die Mäusebussarde, jagte er näher an den Straßen und weil diese Stellen gewöhnlich nicht von Mäusebussard und Turmfalk bejagt wurden hatte er reichere Beute.


 
nten, Watvögel und Möwen
Normalerweise schon, besonders aber bei Überschwemmungen, ist das flache Tal des Kiemelbachs besonders anziehend für Wasser- und Sumpfvögel. Es ist eine verkleinerte Ausgabe des Röserbann.

Stockenten (Anas platyrhynchos) sind normalerweise wintersüber 30-70 Ex. auf dem knapp meterbreiten Kiemelbach anzutreffen. Am 21.12. bei teilweiser Überschwemmung ca 100 Stück, am 26.12. bei starker Überschwemmung ca. 200, am 28. 160, am 29. 100. Am 4.1. wiederum ca. 200; am 5. noch 120, am 7. nur mehr ein Paar, am 8., einen Tag vor Kälteeinbruch, keine einzige mehr! Während der Kälte war sie nirgends mehr aufzutreiben; beim ersten Tauwetter, am 19., waren deren schon wieder 40 zur Stelle (kräftiger SW-Wind). Dies zeigt also, dass Stockenten den Kältewellen ausweichen und zwar schon bevor diese eintreffen. Auffallend war, dass alle Stockenten geflüchtet waren, sogar die einheimischen Brutvögel. Sehr weit kann es allerdings nicht gewesen sein, denn prompt waren deren wieder bei Frostmilderung eingetroffen. Es ist klar, dass die Stockente bei diesem einwöchigen strengen Frost kaum an den üblichen Stellen hätte durchhalten können, schon gar nicht in so großen Zahlen. Diese Wintergäste sind ja gewissermaßen umherstreifende "Opportunisten" die nur unter sehr guten Bedingungen bei uns verbleiben. 1958 konnte ich am 23. Januar bei ähnlichen, allerdings kurzfristigen Klimaverhältnissen (bei einer Minimaltemperatur von -9,5) noch 15 Stockenten auf dem Kiemelbach feststellen; der Bach hatte in der Mitte noch einen Spalt eisfrei.

Wenn auch der Kiebitz (Vanellus vanellus) gelegentlich als Wintergast bei uns verweilt, so konnte ich wintersüber keine am Kiemelbach feststellen. Die letzten Herbstdurchzügler (32 Ex.) waren am 19.11. daselbst; die ersten Frühjahrsdurchzügler (ca. 200 Ex.) waren schon am 25.2. wieder zur Stelle. In der Zwischenzeit hielten sich keine dort auf.

Die Bekassine (Capella gallinago) wurde schon öfters im Winter bei uns festgestellt. Auch in der ersten milden Winterhälfte 1959 war sie in der Escher Gegend anzutreffen. Am 13.12. waren 2 Ex. am Kiemelbach und am 31.12. waren deren 2 im Schifflinger Brill. Anschließend wurde aber keine mehr bis zum März beobachtet.

Die Lachmöwe (Larus ridibundus) taucht auch gelegentlich wintersüber bei uns auf; besonders nach starken Regenfällen wird sie registriert. Es ist aber vielleicht so, dass sie auch ebenso oft außerhalb von Regenperioden bei uns passiert, nur dass sie dann keine günstigen Überschwemmungsbiotope vorfindet und nicht hier verweilt; in diesem Fall waren die Beobachtungs-Chancen bei uns stark vermindert und es könnte kein wirklichkeitstreues Bild über das Vorkommen hierzulande entworfen werden.
Am 28.12. waren 2 Stück am Kiemelbach, am 29.12. waren es deren 5 welche andauernd auf dem Wasser umherschwammen und nach Nahrung suchten. Am 26.2. wieder eine daselbst. Anfangs schwamm sie auf Wasserpfützen, wurde jedoch andauernd von Rabenkrähen angegriffen, bis sie sich inmitten einer Schar von Kiebitzen niederließ; diese störten sie nicht und auch von Krähen wurde sie fortan in Ruhe gelassen..

Raymond Peltzer

Benutzte Literatur
(1) Fontaine, A. de la: Faune du Pays de Luxembourg (1865)
(2) Gebhardt, L. und Sunkel, W.: Die Vögel Hessens (1954)
(3) Morbach, J.: Fauna avium luxemburgensis (1951)
(4) Neubaur, F.: Beitrag zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz (1957)
(5) "Regulus": Ornithologische Beobachtungen (Verschiedene Jg.)
(6) Uttendörfer, O.: Neue Ergebnisse über die Ernährung der Greifvögel (1952)
(7) Morbach, J.: Vögel der Heimat. Band I (1939)
(8) Morbach, J.: Vögel der Heimat. Band II (1940)


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