LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl
Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 1965/5 S. 175-178

Erster Brutnachweis der Rohrweihe (Circus aeruginosus) auf luxemburgischem Boden.

Bisher wurde die Rohrweihe für luxemburgische Verhältnisse als Durchzügler betrachtet. Seitdem aber im letzten Jahrzehnt die Feldornithologie in Luxemburg intensiver betrieben wurde, konnten auch übersommernde Rohrweihen bei uns festgestellt werden. Dadurch konnte J. Morbach im fünften Band seiner »Vögel der Heimat« (1963) folgendes (Seite 95) schreiben: „Im letzten Dezennium dieses Jahrhunderts wurde sie gemäß »Regulus« wieder häufiger beobachtet, namentlich im Schifflinger Raum und Umgegend, wo das durch die Kläranlage künstlich entstandene sumpfige Gelände im Brill ein zusagendes Horstgebiet abgeben kann. Vielleicht wird man sie da als Brutvogel nicht vergeblich suchen." *)
Vor 1955 erschien die Art denn auch daselbst dadurch brutverdächtig, daß ein Weibchen von Ende Mai bis Anfang Juni 1954 ständig anwesend war. (Vergl. »Die Vogelfauna Luxemburgs«, p. 460). Seit 1956 aber war nicht mehr mit der Fortpflanzung der Rohrweihe im Schifflinger Brill zu rechnen, da das versumpfte Gelände größtenteils trocken gelegt und gut dessen Hälfte mit Pappeln angepflanzt wurde.
1962 aber stellte R. Peltzer am 13. Mai ein balzendes Rohrweihenpaar beim »Lankelzerweier« bei Esch/Alzette fest. Dabei fand eine Futterübergabe des Männchens an das Weibchen statt. Durch anderweitige Beschäftigung konnte der Beobachter in der Folgezeit die benannte Örtlichkeit nicht regelmäßig aufsuchen, und da er auch keine Rohrweihe mehr daselbst sichtete, schien ein Brutverdacht hinfällig geworden zu sein.
Im Herbst 1963 machte N. Fischer den Unterzeichneten darauf aufmerksam, daß in Schifflingen der junge P. Serafini verschiedene Vögel im Freiflug und in einer Volière hielt. Bei meinem Besuch daselbst war ich überrascht, eine weibliche Rohrweihe mit zwei Elstern und einer Rabenkrähe in zwei verschiedenen Volièren anzutreffen. Serafini sagte mir er habe die Rohrweihe 1962 von dem jungen M. Kolmesch aus der Cité Zaepert an der Ehleringerstraße aus Esch/Alzette erhalten, und sie habe sich mit anderen Nestgeschwistern in einem Bodenhorst befunden, der nahebei ausgemäht worden war.
Es bestand nun kein Zweifel mehr, daß das Rohrweihenpaar, welches am 13. Mai 1962 von R. Peltzer bei der Futterübergabe über den versumpften Langholzerwiesen beobachtet wurde, doch einen Brutversuch gemacht hatte und unsere späteren Beobachtungen daselbst durch das Ausmähen und Entfernen der Jungvögel negativ verliefen. Da es mir 1964 nicht möglich war, mich feldornithologisch zu betätigen oder ich auch nur die Zeit fand, dieser Sache nachzuspüren, dauerte es bis zum Frühjahr 1965 ehe ich den jungen Kolmesch aufsuchen konnte. Derselbe sagte mir, daß der Bauer, der 1962 das Seggengras auf den Langholzerwiesen gemäht hatte, ihm angab, daß daselbst junge Habichte am Boden säßen, die noch nicht fliegen könnten und er solle sie wegnehmen, wenn es ihm Spaß machen würde. Es waren 5 junge Rohrweihen, die, der Beschreibung von Kolmesch zufolge, ca 3 Wochen alt gewesen sein mochten. Das war gegen den 12. Juni.
Das Weibchen, das Serafini besaß, überwältigte und verzehrte einmal eine junge Dohle. Es ging im Winter 1963/64 ein. Auch von den anderen vier Rohrweihen, die 1962 von Kolmesch aufgezogen wurden, lebt heute keine mehr. Die Aufnahme auf der zweiten Deckelseite dieses Heftes (ein Farbphoto) stellt das Weibchen dar, das Serafini besaß. Sie wurde im Frühjahr 1963 gemacht.

ÖRTLICHKEIT UND BIOTOP
Da der Ort, an dem 1962 der erwähnte Rohrweihenhorst stand, sozusagen als Sekundärbiötop der Art zu betrachten ist, sollen hier Örtlichkeit und Biotop kurz beschrieben werden. Was die erstere anbelangt, handelt es sich um die (heute) versumpften Langholzerwiesen nördlich der Stadt Esch-an-der-Alzette, die sich zwischen der Ehleringerstraße und dem »Cinquantenaire« hinstrecken. Früher war daselbst ein Flugfeld. Der Ort ist auf den großen topographischen Karten (l:25000) des Landes als »Lankelzerweier« eingetragen, und der kleine Wald, der nördlich davon liegt, als »Lankelz«. Von den Escher Einwohnern werden beide Bannteile auch als Langholzerwiesen und Langholzerwald bezeichnet (vergl. hierzu P. Thi11: »Der Langholzerwald bei Esch-an-der-Alzette«, »Regulus« 1959, 6, pp. 123—126). Das genannte Gelände, das nur 2 500 m vom Schifflinger Brill entfernt ist, gehört der Stadt Esch/Alzette. Im unteren Teil befindet sich eine Schuttfläche von ca 6,500 ha, an welcher sich das Wasser, das von der Belvaler Schlackenhalde herkommt, staut und durch einen Überlaufgraben zum nahen Dipbach geleitet wird. Dieses Wasser, das von Chemikalien durchsetzt ist, gleicht eher einer braunen Brühe. Bei normalem Stand bedeckt es ca 0,800 ha. Oberhalb dieses Wassers, auf die Ehleringerstraße zu, dehnen sich dann die Seggengraswiesen (Carex spec.) aus, auf denen der Rohrweihenhorst sozusagen mittendrin stand. Diese Seggenvegetation, die stellenweise 80 cm hoch wird, hat eine Ausdehnung von annähernd 2 ha und wird jedes Jahr, als Streu für die Schafe, abgemäht. Zur nördlichen Seite werden die Seggengraswiesen von einem Schilfrohrstreifen (Phragmites communis) abgegrenzt, und zwar längs des Wassergrabens, durch den der heutige »Lankelzerweier« gespeist wird. Es dürfte unsere einheimischen Leser interessieren zu erfahren, wie es mit der Brutverbreitung der Rohrweihe in den benachbarten Gebieten steht. Vermutlich hat sich das hier in Frage kommende Paar von den lothringischen Weihern her auf den Langholzerwiesen eingestellt. Die Art brütet nämlich dort an allen größeren, mit Schilfrohr umstandenen Weihern zwischen Damvillers u. Toul. Der nächstgelegene, ständige Brutplatz am Weiher von Xivry liegt nur 25 km Luftlinie von Esch/Alzette entfernt. Für eine Weihe ist das keine bedeutende Strecke! Auch im übrigen Frankreich brütet die Rohrweihe an geeigneten Weihern und Sümpfen. (Noël Mayaud, »Inventaire des Oiseaux de France«, 1936). An den fast vegetationslosen Baggerweihern längs der Mosel trafen wir sie hingegen nicht als Brutvogel an.
Für Belgien wird sie von Van Havre (1928) als seltener Brutvogel bezeichnet, Angabe, die von Ch. Dupond (»Les Oiseaux de la Faune belge«, 1950) bestätigt wird. Nach letzterem kommt die Rohrweihe in den Schilfbeständen nur weniger Sümpfe und größerer Gewässer Flanderns vor. Die ehemaligen Brutplätze auf den versumpften Hochflächen der Ardennen sind, nach Van Beneden, seit Jahrzehnten verwaist.
Angesichts des Vorhandenseins vieler geeigneter Lebensräume kommt die Rohrweihe im benachbarten Holland etwas häufiger vor (Ardea 1/2, 1962).
Über das Vorkommen von Circus aeruginosus im westlichen Deutschland schreibt F. Neubaur (Decheniana, 1957): „Wie in Westdeutschland überhaupt, so auch im Rheinland seltener Brutvogel in Schilf- und Rohrbeständen an verlandenden Gewässern. In unserer Provinz brütet diese Weihe nur in der niederrheinischen Tiefebene." In Bezug auf das angrenzende Land Hessen schreiben L. Gebhardt und W. Sunkel in »Die Vögel Hessens« (1954): „Die Rohrweihe beansprucht größere Rohr- und Schilfbestände. Nur an wenigen Stellen konnte sie daher von jeher in Hessen brüten." Für Gesamtdeutschland steht die Rohrweihe in der Artenliste »Die Vögel Deutschlands«, von Niethammer, Kramer und Wo1ters (1964), als »seltener und spärlicher Brutvogel« vermerkt. Weiter heißt es daselbst: „In Süddeutschland sehr selten. Durchzügler in geringer Zahl."
In der Schweiz schließlich brüten bestenfalls nur einige Paare. P. Géroudet erwähnt in »Die Brutvögel der Schweiz« (von N. Glutz von Blotzheim), das 1962 herauskam: „Actuellement un ou deux couples nicheurs en Suisse."
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*) Bezüglich der Versumpfung des Schifflinger Brill ist zu sagen, daß dieselbe nicht durch die Anlage der neuen Kläranlage entstand, sondern, daß das Gelände schon versumpft war bevor der Bau der Kläranlage in Angriff genommen wurde.

RESUME
Pour la première fois, une couvée du Busard harpaye (Circus aeruginosus) fut constatée en 1962 au Grand-Duché de Luxembourg. Le 13 mai 1962, M. Raymond Peltzer observa — lors de l'activité nuptiale d'un couple — l'apport de nourriture du mâle à la femelle au lieu dit »Langholzerwiesen« au nord de la ville d'Esch-sur-Alzette, c'est-à-dire au-dessus de prairies marécageuses d'une étendue d'environ 2 ha où poussent en général des plantes de Carex. Ces prairies sont flanquées au nord d'une bande de Phragmites communis le long d'un fossé à eau et à l'est d'une flaque d'eau d'environ 0,800 ha.
Quand les plantes de Carex furent fauchées par un éleveur de bêtes ovines, celui-ci constata la présence de jeunes rapaces (5 Busards harpaye) dans cette végétation. Ceci se situait vers le 12 juin 1962. Les jeunes étaient alors âgés d'environ trois semaines.
Mais ce n'était qu'en 1963 que nous avions eu connaissance de ces faits, puisqu'un habitant de Schifflange tenait un de ces jeunes Busards (une femelle) dans une volière. La photo sur la deuxième page de ce fascicule, qui fut prise au printemps 1963, représente cet oiseau.

M. HULTEN


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