Die Brutpopulation von Buteo buteo im Süden des Landes (Umgebung von Monnerich)
1.
Einleitung und
Zielsetzung
Als Beutegreifer gehört der Mäusebussard zu der
»berüchtigten« Familie der
Krummschnäbel (Greife und Eulen), die auch heute noch bei
vielen Menschen verfemt sind. Bis ins Unterbewußtsein
wurzelnde Abneigung - Sagen und Märchen bestätigen
dies -, während Jahrhunderten überliefert und
geschürt, brachten eine ganze Vogelfamilie in Verruf und
setzte sie andauernder Verfolgung aus. Dabei spielten Aberglaube und
vermeintliche Jagdkonkurrenz eine entscheidende Rolle. Zumindest in den
Gründerjahren trug dann auch noch ein falsch verstandener,
einseitig auf die Singvögel ausgerichteter Vogelschutz, zu
diesem negativen Image bei. Wer glaubt, all dies gehöre Gott
sei Dank seit langem der Vergangenheit an, zumal die Menschen im
Zeitalter der Massenmedien immer mehr und besser über die
wahren Zusammenhänge im Naturgeschehen informiert werden und
ökologische Begriffe damit ins Bewußtsein immer
breiterer Bevölkerungskreise dringen, der irrt gewaltig.
Hauptsächlich aus Jägerkreisen werden in letzter Zeit
nicht nur bei uns, sondern auch in den Nachbarländern, immer
mehr Stimmen laut, die wieder Schußzeiten für die
Greifvögel - in Luxemburg stehen sie seit 1967 unter totalem
Schutz -, insbesondere aber für den Mäusebussard
fordern. Ihm wird dabei seine vermeintliche Häufigkeit - er
soll von Jahr zu Jahr zunehmen - zur Last gelegt, die in direkter
Relation zur auffälligen Abnahme des Niederwildbestandes
stehen soll. Diese Arbeit, die eigentlich erst nach einer
10jährigen Beobachtungsperiode (1971-1981) ihren
Abschluß hätte finden sollen, soll aufzeigen,
daß solche Behauptungen völlig aus der Luft
gegriffen und die vorgebrachten Klagen damit gegenstandslos sind.
2.
Geographische Angaben
Die zu den Siedlungsdichteuntersuchungen ausgewählte
Probefläche hat eine Größe von 25 km2. Sie
liegt im Süden des Landes (278-332m NN) und gehört
zur Liasformation. Im leicht gewellten Gelände herrschen also
fruchtbare, aber schwere Lehmböden vor, die zu
Staunässe neigen. Sie werden intensiv landwirtschaftlich
genutzt, wobei der Hauptakzent auf der Viehzucht (Milch- und Mastvieh)
liegt. Getreideanbau (Weizen, Hafer, Gerste) wird nur auf den
Hügelrücken betrieben, während in tieferen
Lagen Mähwiesen und Viehweiden vorherrschen.
Eichen-Hainbuchenwald ist typisch für die Liasböden.
Die Probefläche macht hierin keine Ausnahme. Rotbuchen sind
deutlich in der Minderheit, während kleinere
Fichtenbestände kaum erwähnenswert sind. Der
Waldanteil der Probefläche beträgt rund 1,8 km2, also
nur 7,2%. Die relativ große Waldrandlänge (Addierung
des Umfangs der einzelnen Wälder) von 17,6 km resultiert aus
der starken Parzellisierung des Waldbestandes, wobei viele
Wälder zusätzlich eine schmale, langgezogene Form
aufweisen. Diese Zahl ist sicherlich von Bedeutung, da die
Mäusebussarde bevorzugt in der Waldrandzone nisten. Die
Ortschaften gehören zum landschaftsästhetisch
unschönen »Zersiedlungstyp« und greifen
mit ihren Wohnstraßen und Industriezonen wie Krakenarme weit
in die Landschaft. Insgesamt dufte die von ihnen eingenommene bzw.
direkt »abhängige« Fläche rund 2
km2 betragen, also 8% der Gesamtfläche.
Während der Beobachtungsperiode (1971-1979) traten, was den
Waldbestand anbelangt, keine Veränderungen ein. Dasselbe kann
man allerdings nicht von der Feld- und Wiesenflur behaupten. Hier
muß vor allem das Verschwinden vieler Heckenreihen und der
gehäufte Anbau von Mais anstelle von Hackfrüchten und
Feldbohnen erwähnt werden. Die Frühmahd zwecks Silage
machte sich hingegen erst in den beiden letzten Jahren in zunehmendem
Maße bemerkbar.
Weiterhin war in den verschiedenen Ortschaften ein wahrer Bauboom zu
verzeichnen. So fraßen sich Häuserreihen und
Industriezonen immer weiter in die Landschaft hinein.
2.1.
Zusammenfassung:
Größe der Probefläche:
25 km2 (5x5 km)
Höhenlage: 278-332m NN
Geologische Formation: Lias
Waldtyp: Eichen-Hainbuchenwald
Waldanteil: 1,8 km2, 7,2%
Waldrandlänge insgesamt: 17,6 km
Gesamtfläche der Ortschaften: ±2 km2, 8%
• = Brut 1971
Dreieck =
Brut 1972
Quadrat = Brut 1975
x = Brut 1979
Jahr | Größe der Probefläche (davon Wald) | Zahl der Brutpaare | Dichte (Zahl) der Brutpaare pro 10 km2 | Angebot an Feldmäusen |
1971 | 25km2 (1,8km2) | 19 | 7,6 | Ausgesprochenes Feldmausjahr (Gradation) |
1972 | " | 10 | 4,0 | Feldmausarmes Jahr (nach Zusammenbruch der Gradation) |
1975 | " | 13 | 5,2 | Nichts Auffälliges in Bezug auf die Feldmauspopulation festzustellen |
1979 | " | 12 | 4,8 | Nichts Auffälliges in Bezug auf die Feldmauspopulation festzustellen |
5.
Natürliche bestandsregulierende Faktoren
5.1. Relation Beutetier-Beutegreifer
Aus den Untersuchungen geht klar hervor, daß der Bestand des
Mäusebussards in dem Zeitraum von 1971-1979 nicht zugenommen
hat, sondern je nach Mäuseangebot um einen bestimmten
Mittelwert pendelt, der weitgehend von der Landschaftsform mit ihrem
Angebot an primären und sekundären Biotopen bestimmt
wird. Je größer oder kleiner das Angebot an
Feldmäusen ist, desto stärker schlägt das
Pendel nach links oder rechts hin aus. Die Beutetiere bestimmen also
die Populationsdynamik der von ihnen lebenden Beute greifer- und nicht
umgekehrt!
5.2. Witterungseinflüsse
Ganz allgemein gesehen wirkt sich naßkalte Witterung in den
Frühlings- und Sommermonaten negativ auf die Reproduktionsrate
der Warmblüter aus, folglich auch auf diejenige des
Mäusebussards. Desgleichen müssen die
Altvögel während harter, schneereicher Winter einen
nicht unerheblichen Tribut zahlen. Davon betroffen sind vor allem
Mäusebussard und Turmfalke, da die Mäuse, ihre
Hauptbeute, unter der Schneedecke verborgen bleiben. Habicht und
Sperber, in der Hauptsache von Vögeln lebend, haben hingegen
kaum Hunger zu leiden. Sie machen sich allerdings an
Futterplätzen unbeliebt, da sie die sich dort einfindenden
Kleinvögel zehnten. Wer aber will ihnen dies verdenken, da
sie, genau wie jedes andere Lebewesen auch, den Weg der geringsten
Anstrengung gehen und sich dort einfinden, wo ihre natürlichen
Beutetiere - durch Menschenhand bedingt - gehäuft auftreten.
Das gleiche gilt übrigens für die
Fasanenschütten.
Die Natur hat also genügend natürliche
»Bremsen« gegen eine einseitige
Überbevölkerung eingebaut. Das sogenannte
ökologische Gleichgewicht ist damit gewährleistet.
6.
Gefährdungsursachen
6.1. Pestizide
Nach den Untersuchungen von Conrad 1977 (4) wird wohl niemand mehr
daran zweifeln, daß die Greifvögel als Endglieder
von Nahrungsketten in besonderem Maße von Schadstoffen
belastet sind. Die begifteten Insekten werden von kleineren
Vögeln und Säugern (z.B. Spitzmäuse)
verzehrt; diese wiederum werden die Beute der Greife; das Gift wird
nach und nach im Fettgewebe und in der Leber gespeichert und erreicht
schließlich Konzentrationen, die die Fortpflanzung durch
»Verzögerung und Reduktion der Ovulation und
Spermienproduktion, dünnschalige, zerbrechliche Eier, stark
erhöhte Embryonen- und Nestlingssterblichkeit und Einstellen
der Brutaktivität« (4) beeinträchtigen.
Besonders HCB (Hexachlorbenzol), DDE (Hauptabbauprodukt von DDT, dessen
Anwendung bekanntlich verboten ist) und PCB (polychlorierte Biphenyle)
sind hier zu nennen, wobei DDE und PCB als besonders
gefährlich gelten. Hauptsächlich die von
Kleinvögeln lebenden Greife (Habicht, Sperber, Wanderfalke)
sind durch Pestizide gefährdet, während
Mäusebussard und Turmfalke als ausgesprochene
Mäusevertilger »besser« wegkommen.
6.2. Verkehr
Die Geschwindigkeit eines heranbrausenden Autos können die
Greifvögel - und nicht nur sie - natürlich nicht
berechnen. So werden alljährlich Tausende zuschanden gefahren,
besonders auf Autobahnen. Der Mäusebussard gehört
dabei zu den häufigsten Opfern. Für ihn sind die
Autobahnen aus zweierlei Gründen attraktiv:
a) Wegen des Angebots an Kleinnagern in den
regelmäßig abgemähten Böschungen
und des bequemen Ansitzes von den Straßenlampen und
Hinweistafeln aus.
b) Wegen der großen Anzahl von überfahrenen Tieren
(Igel, Hasen, Kaninchen, Vögel usw.), an deren Kadaver er sich
gütlich tut. Bei dieser Aktivität erwischt es ihn
übrigens dann auch meistens selbst.
6.3. Verfolgung seitens der
Jägerschaft
Leider fallt der Mäusebussard, genau wie die anderen
Greifvögel, trotz gesetzlichen Schutzes auch weiterhin
so manchem Jäger zum Opfer. Dabei werden sowohl Flinte als
auch Habichtskorb und Pfahleisen eingesetzt. Wir befürchten,
daß beobachtete Abschüsse, tot aufgefundene Greife,
bei denen sich nach Röntgenaufnahme Schrotkugeln nachweisen
ließen, sowie von uns entdeckte, in freier Natur aufgestellte
Habichtskörbe und Pfahleisen nur die Spitze eines Eisberges
darstellen.
Eine weitere verwerfliche Praxis mancher Jäger ist das
Beschießen der Rabenkrähen- und Elsternnester im
Frühjahr, ohne sich vorher vergewissert zu haben, ob sie auch
tatsächlich von als
»jagdschädlich« geltenden Elstern oder
Rabenkrähen besetzt sind. Besonders Turmfalken und
Waldohreulen müssen hierbei Tribut zahlen, da sie sich
für ihr Brutgeschäft oftmals alte Krähen-
und Elsternnester aussuchen. Daß aber auch im Jahre 1980 noch
auf brütende Greifvögel Dampf gemacht wird, beweist
ein Habichtshorst im Norden des Landes, unter dem eine frische
Patronenhülse gefunden wurde. Logischerweise ist besagter
Horst seither verwaist, denn ohne Weibchen geht das
Brutgeschäft nun einmal nicht. Die Bekämpfung von
Elstern und Rabenkrähen mit Hilfe von Gifteiern muß
erst recht angeprangert werden, da diese Aktionen ungezielt ablaufen
und ihnen auch viele andere Tiere (einmal sogar ein Fasanenhahn) zum
Opfer fallen. Angepickte Eier stellen nämlich für
eine Vielzahl von Tieren eine große Verlockung dar. Verendete
oder sich am Verenden befindende Rabenvögel werden
außerdem oft die Beute von Greifen, die dann ebenfalls
indirekte Giftopfer werden.
Es muß allerdings hervorgehoben werden, daß sich
immer mehr Jäger, besonders solche der jüngeren
Generation, von den eben angeführten Praktiken distanzieren.
7.
Jagdschädlichkeit
Wie eine sehr fundierte Publikation von Dr. W. Berndt (1980) (2) zeigt,
ist ein Einfluß der Greifvogelbejagung auf die Entwicklung
der Niederwildstrecken nicht ersichtlich. Die Studie, die jeder
ernsthaft interessierte Jäger einfach gelesen haben
muß, basiert auf Angaben 29 staatlicher Forstämter
aus dem Großraum Hannover.
Niederwildstrecke
und Greifvogelabgänge in Niedersachsen
Mit Eintritt der Vollschonung der Greife im Jahre 1970 ändert
sich die Tendenz der Niederwildstrecken nicht.
Es soll jedoch gar nicht geleugnet werden, daß der
Mäusebussard auch mal einen Junghasen, ein Wildkaninchen oder
ein Rebhuhn- bzw. Fasanenküken schlägt. Daß
er aber einen erwachsenen, gesunden Hasen
überwältigen kann, stimmt nicht, darin sind sich alle
Jagdexperten einig. Eine interessante, von R. Neys gemachte Beobachtung
möge dies bestätigen. Er konnte nämlich
zusehen, wie ein Mäusebussard einen Angriff auf einen
erwachsenen Hasen wagte. Das Ganze spielte sich unweit eines Waldes in
einer Mähwiese ab. Als der Bussard über dem Hasen
war, richtete dieser sich auf und
»verprügelte« den Angreifer mit den
Vorderläufen. Dieser drehte ab, um anschließend
einen neuen Angriff zu starten. Inzwischen strebte der Hase eilig dem
Waldrand zu. Das eben beschriebene Schauspiel wiederholte sich mehrere
Male. Jedesmal langte der Hase kräftig zu, so daß
sogar die Federn flogen. Er erreichte schließlich den
Waldrand, und der Bussard mußte unverrichteter Dinge abdrehen.
Wird ein Mäusebussard deshalb beim Abstreichen von einem
erwachsenen Hasen oder Fasan angetroffen, so muß davon
ausgegangen werden, daß das Stück entweder nicht
gesund oder krank geschossen war, von einem anderen Tier geschlagen und
übernommen oder ganz einfach als Kadaver angenommen wurde. Im
Horst vorgefundene Beutereste von erwachsenen Hasen oder Fasanen
stammen meistens von Verkehrsopfern oder von Stücken, die in
die Mähmaschine gerieten. Auch Junghasen stammen
übrigens vielfach aus solchen Quellen. Es gibt
übrigens seit kurzem »Wildretter« genannte
Geräte, die sich leicht an Kreiselmähern befestigen
lassen, und mit denen man gute Erfolge erzielte. So wurden
beispielsweise 1979 in Luxemburg 16 Geräte auf einer
Einsatzfläche von 205 ha Grünland in 18 Betrieben
getestet. Resultat: 188 Wildtiere wurden zum Aufstehen und zur Flucht
gebracht. Davon 83 Rehkitze, 96 Fasane und 9 Hasen. 7 Rehkitze und 4
Fasane kamen zu Schaden (Pressemitteilung 7.6.80).
Werden in Kaninchenrevieren die schnellen Flitzer gehäuft von
Mäusebussarden geschlagen, so deutet dies auf beginnende
Myxomatose hin. Ist die Seuche erst einmal ausgebrochen, so kommt dem
Bussard zusammen mit Fuchs, Habicht u.a. sogar eine Rolle als
Gesundheitspolizei zu. Damit bestätigt sich wieder einmal,
daß jedem Beutegreifer erwiesenermaßen zuerst
anormal gefärbte (z.B. albinotische) oder sich anormal
benehmende (z.B. kranke, verhaltensgestörte) Beutetiere zum
Opfer fallen. Die Beutegreifer stellen also einen durchaus
erwünschten Auslesefaktor dar, indem sie nur gesunde Tiere,
also solche mit intakten Genen, zur Reproduktion kommen lassen.
Oft wird von Jägerkreisen darauf aufmerksam gemacht,
daß Mäusebussarde dem Niederwild
hauptsächlich während der Wintermonate
großen Schaden zufügen, weil sie ganz einfach in zu
großer Zahl auftreten. Daß in manchen Wintern viele
Mäusebussarde nordischer und ostischer Herkunft bei uns
überwintern, kann nicht abgestritten werden. Ringfunde deuten
nämlich daraufhin; sie zeigen aber auch, daß in
manchen Jahren viele »unserer«.Bussarde
südlichere Gegenden zur Überwinterung vorziehen. Das
jeweilige Nahrungsangebot spielt sicherlich eine große Rolle.
So lädt ein reichliches Mäuseangebot geradezu zum
Verweilen ein. Bei plötzlich eintretenden Schneefallen, von
denen große Teile Europas gleichzeitig betroffen sind, kann
dies natürlich zu Nahrungsengpässen führen.
Solche Winter sind aber nicht nur für die Greifvögel
verheerend - im Winter 1978/79 wurden beispielsweise allein 17 tote
Mäusebussarde an Mitglieder der Vogelschutzliga abgeliefert -
sondern auch für die Niederwildbestände.
Geschwächte, dem Hungertod preisgegebene Tiere werden dabei
natürlich schnell die Beute der halbverhungerten Greife.
Verloren wären sie aber ohnedies. Daß Futterstellen,
sei es für Kleinvögel oder für Fasane,
Greife (vor allem Habicht und Sperber, in geringerem Maße
auch Turmfalke) geradezu magisch anziehen, wurde schon in Kapitel 5.2.
erwähnt. Dem Mäusebussard kann man durch das Auslegen
von Fleischbrocken (am besten auf tischähnlichen Gestellen,
damit kein Fuchs darankommt) helfen und somit erreichen, daß
er den Niederwildbeständen keine
übermäßige Aufmerksamkeit widmet. Es sei
aber unmißverständlich hervorgehoben, daß
Fütterungsaktionen, seien sie auch noch so gut gemeint,
langfristig
gesehen so gut wie keinen Einfluß auf die Bestandsentwicklung
haben, egal ob es sich dabei um Kleinvögel, Greife oder
Niederwildarten handelt. In punkto Siedlungsdichte sowie
Reproduktionsrate unterliegen Tierpopulationen nämlich
natürlichen, von vielen Faktoren (beispielsweise
Nahrungsangebot, Witterungsverhältnisse) abhängigen
Zyklen. So kommt es zu einer Folge von sehr guten, guten, weniger guten
oder auch schlechten Jahren. Überhandnehmen oder aussterben
wird eine Tierart aber nicht, solange die Natur noch
einigermaßen intakt ist, d.h. solange der Mensch nicht in
einschneidender Weise in natürliche, oftmals seit
Jahrtausenden bestehende Abläufe eingreift und damit das
ökologische Gleichgewicht zerstört.
Hier aber kommen wir zum Kernproblem der Niederwildmisere, der
Biotopzerstörung nämlich.
8.
Biotopzerstörung
Wie wir gesehen haben, schwankt eine Tierpopulation um einen von der
Landschaftsform mit ihrem Angebot an Biotopen gegebenen Mittelwert.
Noch nie hat der Mensch aber in solch einschneidendem Maße in
die Gestaltung der Landschaft eingreifen können, als gerade in
den letzten Jahren unseres Industriezeitalters.
8.1. Landwirtschaft
Moderne landwirtschaftliche Anbaumethoden bevorzugen
großflächige Monokulturen, die nur durch reichliche
Anwendung von Kunstdüngern und regelmäßiges
Spritzen von Herbi- und Fungiziden aufrechterhalten werden
können. Dabei führt der Einsatz immer schwereren
Geräts zwangsläufig zur Uniformität, zur
sogenannten Kultursteppe. Weiterhin bewirken neue Erkenntnisse in der
Viehzucht einschneidende Veränderungen in der Wahl und
Verwendung der Futterpflanzen. Hackfrüchte werden
beispielsweise durch den Mais verdrängt, und die
Frühmahd zwecks Silage wird heute
regelmäßig praktiziert. Parzellisierte
Anbauflächen - ein abwechslungsreiches Angebot an
Kulturpflanzen ist damit automatisch gegeben -, Hecken,
Ruderalflächen, Brachland, Feuchtgebiete usw. stehen modernen
landwirtschaftlichen Methoden geradezu im Wege und verschwinden deshalb
in zunehmendem Maße. Dabei ist aber gerade eine reich
strukturierte, abwechslungsreiche Landschaft die Voraussetzung
für eine vielfaltige Tier- und Pflanzenwelt. Neben vielen
anderen Tieren werden so nach und nach auch die Niederwildarten ihrer
natürlichen Lebensräume und Futterpflanzen (z.B.
Ackerunkräuter) »beraubt«, wandern ab
(wohin?) und stehen schließlich vor dem Aussterben. Teure
Aussetzungsversuche stellen begreiflicherweise keine Lösung
dar. Wie sollen die Tiere ohne Deckung und ihnen zusagende
Futterpflanzen überleben? In der Regel aus
Zuchtbeständen stammend, was zumeist eine
Verkümmerung natürlicher Verhaltensweisen zur Folge
hat, fallen sie schnell ihren natürlichen Feinden zum Opfer.
8.2. Forstwirtschaft
Auch in der Forstwirtschaft - vor allem in der privaten - geht der
Trend in Richtung Monokultur. Dabei werden schnellwüchsige
Nadelhölzer, hauptsächlich Fichten, bevorzugt. Da in
Fichtenwäldern Kraut- und Strauchschicht fehlen, stellen sie
einen recht eintönigen, nur von wenigen Tierarten genutzten
Lebensraum dar. Waldhasen, um nur diese Tierart zu nennen, wird man
vergeblich suchen.
8.3. Straßenbau
Beim Ausbau unseres Straßennetzes, hauptsächlich
aber durch den Autobahnbau, gingen viele Acker-, Wiesen- und
Waldflächen verloren. Daß jedes Jahr Tausende von
Tieren, darunter auch manches Stück Wild, dem Verkehr zum
Opfer fallen, fand schon Erwägung.
8.4. Zersiedlung der Landschaft
Der Wohlstand in unserem Lande ging Hand in Hand mit einem nie
gekannten Bauboom. So platzten viele Ortschaften bald aus allen
Nähten. Die meisten Gemeindeväter waren diesem
Ansturm nicht gewachsen, Baugenehmigungen wurden mehr oder weniger
planlos drauflos erteilt, und die Häuserreihen
fraßen sich oft kilometerweit in die Landschaft hinein. Hinzu
kamen dann noch Industriezonen, Feriensiedlungen, Campingfelder,
Sportkomplexe und die freie Natur verunzierende Weekendhäuser
und Wohnwagen. Daß all dies auf Kosten der Natur ging,
dürfte jedem einleuchten.
Die beiden zuletzt aufgeführten Punkte zeigen, wie wichtig
eine vernünftige, ökologischen Faktoren Rechnung
tragende Landesplanung ist.
9.
Anregungen
Literatur:
1) ACINER (1979): Premières données sur la Buse
Variable en Alsace, Ciconia Vol. 3 Fasc. 3
2) Berndt W. (1980): Greifvögel. Ursachen der
Niederwildmisere? Wild und Hund 1980/4
3) Bezzel E. (1980): Das Elend mit dem Schutz der Greife, Kosmos 5/80
4) Conrad B. (1977): Die Giftbelastung der Vogelwelt Deutschlands.
Vogelkundliche Bibliothek Bd. 5
5) Pfister H.P./Rimathé R. (1979): Die Schweizerische
Hasenforschung. Feld, Wald, Wasser; Schweizerische Jagdzeitung 1979/2
6) Glutz von Blotzheim U.N./Bauer K.M./ Bezzel E. (1971): Handbuch der
Vögel Mitteleuropas, Bd. 4, Frankfurt/Main
7) Mebs Th. (1964): Zur Biologie und Populationsdynamik des
Mäusebussards. Journal für Ornithologie, Bd. 105,
Heft 3
8) Nore Th. (1978): Rapaces diurnes communs en Limousin pendant la
période de nidification, Alauda 1979/3
9) Wassenich V. (1964): Der Bestand von Mäusebussard und
Turmfalke in Luxemburg, Regulus, Bd. 8, Nr. 2
10) Wittenberg J. (1972): Der Brutbestand von Mäusebussard,
Rotmilan und Habicht 1958 und 1970 bei Braunschweig und das Problem der
Vergleichbarkeit. Die Vogelwelt 1972/6
Anschrift des Verfassers: Ed.
Melchior, 14, rue des Prés, Mondercange