LNVL  -  Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga asbl

Veröffentlicht in Regulus (ISSN 1727-2122) 1993/1, S. 17-20
Verantwortlich für diese Ausgabe: Jean Weiss

Ein Personalausweis für Vögel.

Ein Bergfink am Futterplatz. Bergfinken brüten nicht bei uns, aber in manchen Wintern erscheinen sie in grossen Scharen in unseren Gegenden und sind dann auch regelmässig Gäste an den Futterhäuschen in unseren Gärten. Woher diese Vögel kommen, ob aus Norwegen, Schweden, Finnland oder gar Russland, sieht man ihnen nicht an. Hätten Vögel einen Personalausweis, so wie die Menschen, dann wäre die Sache schnell geklärt. So etwas gibt's eben nicht, denkst du jetzt vielleicht. Doch das gibt es!
Hier ist der kleinste Personalausweis der Welt in Originalgrösse:
Er ist 5 Millimeter hoch, kreisförmig zusammengebogen, mit einem Durchmesser von knapp 3 Millimeter und wiegt etwa 5 Hundertstelgramm. (Über soviel "Fachausdrücke" wird sich dein Rechenlehrer sicherlich freuen.) Es handelt sich hierbei um einen Ring, wie er für die Kennzeichnung (das "Beringen") von Vögeln benutzt wird. Obschon er so klein ist, ist Platz genug, um eine mehrstellige Nummer und sogar eine Adresse darauf unterzubringen. Wird später ein so gekennzeichneter Vogel irgendwo tot gefunden oder von anderen Beringern gefangen, so ist es an Hand der Ringnummer leicht möglich, herauszufinden, von wo der Vogel kam und wann er beringt wurde.
Solche Ringe gibt es in verschiedenen Grössen, so dass für jede Vogelart ein passender Ring zur Verfügung steht. Die Ringe sind so berechnet,dass sie den Fuss des Vogels nicht einengen, aber auch nicht abrutschen können und ihn vom Gewicht her nicht stören. Sie bestehen nämlich grösstenteils aus Aluminium und sind daher sehr leicht.

Der "Erfinder" der Beringung hiess Hans Christian Cornelius MORTENSEN (1856-1921). Nach einigen erfolglosen Versuchen, Stare mit dünnen Streifen aus Zink zu kennzeichnen, beringte er im Jahre 1899 im ganzen 165 Stare mitg Aluminiumringen, die er mit einer Nummer und seiner Anschrift versehen hatte. Schon bald danach erhielt er die ersten Rückmeldungen "seiner" Stare. Kein Wunder, dass diese einfache und sichere Methode, Vögel zu kennzeichnen bei den Vogelforschern grosses Aufsehen erregte und viele Nachahmer fand.

Das Geheimnis des Vogelzugs ist gelüftet.

Durch viele Rückmeldungen beringter Vögel wissen wir heute, wo unsere Zugvögel den Winter verbringen und welche Zugrouten sie benutzen, um dorthin zu gelangen. Wir wissen aber auch, wie lange sie unterwegs sind, wann sie fortfliegen, wann sie zurückkehren und ob sie an den Geburtsort oder den vorjährigen Brutplatz zurückkehren. Wie alt sie werden, ob sie ein Leben lang zusamenbleiben oder den Partner jedes Jahr wechseln, wieviel Prozent der Jungen überleben, das sind weitere Fragen die sich mit Hilfe der Beringung beantworten lassen.
Seggenrohsänger: ein seltener Fang
Besonders wichtig ist die Arbeit der Beringer in Naturschutzgebieten. Manche seltenen, aber unauffällige Arten wären unentdeckt geblieben, wenn sie nicht den Beringern ins Netz gegangen wären. So trägt die Beringungstätigkeit dazu bei, wichtige Brut- und Rastplätze zu erkennen und unter Schutz zu stellen.

Fangmethoden.
 
Natürlich muss man einen Vogel zuerst einmal Fangen, bevor man ihn beringen kann. das ist aber nicht so einfach:
Beringer müssen also sehr sportliche Menschen sein! Doch Spass beiseite! Die heute am meisten benutzte Methode ist der Fang in langen Netzen (Japannetze), deren Fäden sehr dünn sind, dass die Vögel sie so gut wie nicht sehen.
Fliegt ein Vogel gegen das für ihn unsichtbare Netz, rutscht er nach unten in eine Art "Tasche", aus der er sich nicht mehr befreien kann. Die Netze werden regelmässig von den Beringern kontrolliert und die gefangenen Vögel vorsichtig befreit. Sie werden in Leinensäckchen untergebracht und anschliessend einer nach dem anderen beringt.
Auch Fallen werden zum Fang von Vögeln benutzt. Schlussendlich werden oft auch Jungvögel in den Nestern beringt.
Ein Vogel wird beringt.

Der Beringer hält den Vogel so in der Hand, dass dieser nicht wegfliegen kann, dass aber gleichzeitig die Füsse und ein Flügel gut erreichbar sind.
Der passende Ring wird um den Fuss gelegt und mit einer Zange zugedrückt. Die Nummer wird in eine spezielle Liste eingetragen . Dort wird ebenfalls aufgeschrieben, um welche Vogelart es sich handelt. Auch Geschlecht, Alter, Flügellänge und manchmal noch weitere Einzelheiten werden ermittelt und gewissenhaft notiert.

Vogelberingung in Luxemburg.

Die Anfänge der Vogelberingung in Luxemburg dürften um das Jahr 1913 zu suchen sein. Ein damals im Nest beringter junger Graureiher wurde nämlich 17 Jahre später tot gefunden. Es scheint sich hierbei aber, wie auch in der Folgezeit, nur um gelegentliches Beringen gehandelt zu haben.
Ab 1933 wurde dann systematischer gefangen oder im Nest beringt. Bis 1960 waren es insgesamt etwas mehr als 14.000 Stück. Heute, im Jahre 1993, sind es deren bereits über 350.000, was im Durchschnitt über 10.000 Stück pro Jahr ausmacht!

Wie wird man Beringer?

Vögel fangen und Beringen darf man nur, wenn man hierfür eine spezielle Genehmigung besitzt, denn der Vogelfang ist bei uns streng verboten. Um Beringer zu werden, muss man mindestens 18 Jahre alt sein. Man muss eine ganze Menge von Vögeln wissen und sie vor allem richtig bestimmen können. Wie man Vögel in der Hand hält, den Ring anlegt, den Flügel misst, mit Fallen oder Netzen arbeitet, lernt man während einer mindestens zweijährigen Stagezeit bei einem erfahrenen Beringer.
Derzeit gibt es in unserem Land 26 Beringer.

Was tun wenn man einen beringten Vogel findet?
 
Am besten, man nimmt den Ring vorsichtig ab, damit die eingravierte Nummer nicht beschädigt wird, drückt ihn platt und klebt ihn mit Klebeband auf ein Blatt Papier.
Ist ein Abnehmen des Rings nicht möglich, soll man auf jeden Fall die Nummer ganz gewissenhaft notieren. Man schreibt den Fundort, das Datum, die Fundumstände sowie die eigene Adresse hinzu und schickt alles an:
Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga, route de Luxembourg, L-1899 Kockelscheuer
Von dort wird die Nummer bzw. der Ring an die Beringungszentrale weitergeleitet und der Finder erhält Bescheid, sobald die Herkunft des Vogels geklärt ist;

Was wir durch die Beringung von unseren Vögeln wissen.
Rauchschwalbe

Rund 60.000 Ra treffen die uchschwalben wurden in den letzten Jahren in unserem Land beringt. Auf Grund der vielen Rückmeldungen wissen wir heute: Der Wegzug unserer Rauchschwalben beginnt Ende August. Sie ziehen durch Frankreich (1) nach Spanien (2), wo sie Ende September / Anfang Oktober ankommen. Um dieselbe Zeit können einige jedoch bereits in Nordafrika (3) sein. Von Anfang November bis Ende Januar halten sich unsere Rauchschwalben im Winterquartier auf. Es liegt im westlichen Zentralafrika (4). Schon im Februar beginnt der Rückzug. Aber erst im April treffen die Rauchschwalben wieder bei uns ein.

Wintergäste aus dem Norden

Bekanntlich verbringen viele unserer Vögel den Winter "im Süden". Dasselbe tun natürlich auch Vögel aus nordischen Ländern. Für manche von ihnen ist jedoch hier bei uns schon der Süden, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Nr. 1: Schwedischer Turmfalke (Entfernung 1026 km)

Nr. 2: Schwedisches Rotkehlchen (Entfernung 957 km)

Nr. 3: Buchfink aus Norwegen (Entfernung 1166 km)

Nr. 4: Kohlmeise aus Estland (Entfernung 1550 km)

Es gäbe noch viel Interessantes zu berichten, z.B. über unseren ältesten Ringvogel (ein Mäusebussard, der ein Alter von 18 Jahren und 10 Monaten erreichte); über den am weitesten gereisten Vogel (eine Rauchschwalbe, die 6100 km weit aus Afrika zurückgemeldet wurde); über Kuriositäten wie die luxemburgische Schleiereule, deren Ring in Deutschland in einem Uhugewölle gefunden wurde; ... Doch davon vielleicht ein andermal.


Weitere illustrierte Artikel zum Thema Vogelzug:
Dossier Vogelzug und Vogelberingung


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