Naturschutz in der Sackgasse
Hatten alle Naturfreunde die Hoffnung gehegt, „nie mehr
eine Affaire Gréngewald“, bei der Naturschutzaspekte mit Füßen
getreten wurden, durchstehen zu müssen, so sieht die LNVL die gesamte
Naturschutzpolitik im Augenblick endgültig in einer Sackgasse.
Eine Reihe von Überlegungen haben die LNVL dazu
geführt, ihre Mitarbeit im Conseil Supérieur pour la Protection
de la Nature zu suspendieren.
Mangel an „Feeling“ für Natur- und Landschaftsschutz
Angesichts der vielen negativen Beispiele im Naturschutzbereich,
die in den letzten Wochen in die Öffentlichkeit drangen, muss man
sich die Frage stellen, in wieweit die Verantwortlichen im Umweltministerium
überhaupt noch die Belange des Naturschutzes vertreten und sich dafür
einsetzen.
Neben diversen unverständlichen Baugenehmigungen
im Grünzonenbereich machen die illegalen Bodenaufschüttungen
direkt an der Grenze des einzigen von „Birdlife International“ anerkannten
Vogelschutzgebietes in Luxemburg bei Weiler-la-Tour die LNVL besonders
betroffen, zumal diese Illegalitäten im nachhinein genehmig genehmigt
wurden und zwar ohne spezifischen Auflagen. Dies läßt auf einen
eher freizügigen Umgang mit der Gesetzgebung schließen. Doch
besonders bedenklich ist die fehlende Weitsicht, die einem Minister obliegen
müsste, um ein solch bedeutendes Areal gegen alle störenden Einflüsse
bestmöglichst abzusichern.
Ebensowenig Feeling zeigte der Staatssekretär bei
der Genehmigung eines zu befestigenden Weges quer durch ein auszuweisendes
Naturschutzgebiet in Flaxweiler. Obschon das Flurbereinigungsprojekt in
Zusammenarbeit mit dem Naturschutzdienst abgeschlossen war, wurde der Ausbau
dieses Weges im nachhinein genehmigt, und dabei u.a. fast die gesamte Population
des Deutschen Enzians, einer extrem seltenen Pflanze in Luxemburg, vernichtet.
Dabei hatte der Naturschutzdienst ausdrücklich auf den ökologischenWert
des Gebietes und eine entsprechend schonende Vorgehensweise bei etwaigen
Amenagierungsarbeiten hingewiesen. Dass nun den Naturschutzorganisationen
angeboten wird, diesen Weg als Lehrpfad zu benutzen und ihn hübsch
zu beschildern, ist eine geschmacklose Farce.
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Fachliche Kompetenz muss die Entscheidungen bestimmen
Hatten sich die Fachleute in Sachen Flurbereinigung Flaxweiler auf einen Kompromiss geeinigt, so wurden im selben Dossier unter der neuen Regierung fundierte Gutachten der Fachleute der Forstverwaltung ignoriert und zusätzliche Genehmigungen erteilt, die dem Naturschutz zuwiderlaufen, so z.B.:
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Genehmigungsprozedur: schnell und trotzdem korrekt
Die LNVL versteht die Argumentation, dass bei Genehmigungsprozeduren
schnellere Entscheidungen notwendig sind. Dazu muss jedoch die zuständige
Verwaltung vor allem über das nötige Personal verfügen.
Die Schnelligkeit der Entscheidungen darf jedoch auf keinen Fall auf Kosten
der Sachlichkeit und des Naturschutzes gehen.
Sind bei umstrittenen Projekten seltene Pflanzen oder
Sonderbiotope im Spiel, so setzt eine fachliche Analyse die Dauer einer
Vegetationsperiode, also eines Jahres, voraus.
Auf keinen Fall dürfen weiterhin illegale Bauten
in den Grünzonen im nachhinein legalisiert werden. Dies würde
bedeuten, dass die für eine Kontrolle zuständigen Beamten keinen
Sinn mehr in einer Anzeige sähen, und manche Bürger könnten
sich nach Belieben an der Gesetzgebung vorbeimogeln.
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Straßenbau contra Naturschutz
Die jüngsten Diskussionen um die Nordstraße
haben gezeigt, dass die getroffenen politischen Entscheidungen nicht ausreichend
auf sachlichen Gutachten basierten. Dies zeigen die veröffentlichten
Studien der Bautenverwaltung zur Genüge. Ein Lernprozess der Entscheidungsträger
scheint dies jedoch nicht zu bewirken. Anstatt endlich ein globales Verkehrskonzept
anzupeilen, wird wiederum an Teillösungen herumgebastelt. So ist es
recht erstaunlich, dass der erst kürzlich erstellte „Projet de Plan
directeur – contournement de localités“ die nun vorgeschlagenen
Umgehungen im Westen der Hauptstadt nicht einmal am Rande erwähnt.
Die LNVL fragt sich, wie eigentlich eine kohärente
Landesplanung überhaupt möglich sein soll, wenn jede Regierung
neue Varianten entwirft. Wo bleibt der Natur- und Landschaftsschutz bei
all diesen Diskussionen? Besonders fraglich erscheint uns die Verknüpfung
der Straßenbaupolitik mit dem Naturschutz. Die Erklärungen vom
Staatsminister Juncker und von Umweltminister Goerens zum geplante „Naturschutzgebiet“
im Mamertal kamen zeitgleich mit der Ankündigung eines Straßenbauprojektes,
das weitere Naturräume zerschneiden wird, weitere Agrarflächen
schwinden läßt. Das ist eine Zumutung für alle, die das
Gerangel um Kompensationen für den Gréngewald mitansehen mussten
und laut neuesten Aussagen aus Landwirtschaftskreisen wieder um die geplanten
Kompensationen bangen müssen.
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Keine Vertauensbasis gegenüber dem Conseil Supérieur de la Protection de la Nature (CSPN)
Waren in den Vorwahlslogans Wörter wie Transparenz,
Bürgernähe oder Dialogbereitschaft in allen Programmen zu lesen,
so ist es doch mehr als erstaunlich dass ein Gremium wie der Oberste Rat
für Naturschutz nicht einmal ansatzweise mit einem solch wichtigen
Projekt wie der Neuorientierung im Mamertal befasst wurde.
Auch auf Anfrage der Naturschutzorganisationen, einige
kritische Dossiers in Bezug auf zweifelhafte Genehmigungen im CSPN zu diskutieren,
um anhand solcher Beispiele Fehlentscheidungen in Zukunft zu vermeiden,
kam eine klare negative Antwort des Staatsekretärs.
Unter diesen Umständen ist die LNVL nicht mehr gewillt,
in einem solchen Gremium Statist zu spielen und eine Alibi-Beratung mitzutragen
und hat deshalb seine Mitarbeit im CSPN supendiert.
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Begriffswirrwarr vermeiden
In der Presse wurden in Bezug auf die Ausweisung eines
Schutzgebietes im Mamertal, verschiedene Begriffe gebraucht: Naturschutzgebiet,
Naturreservat, Habitatgebiet, Landschaftsschutzgebiet ... Viele Bürger,
insbesondere Landwirte, fühlen sich ganz klar verunsichert durch diese
Begriffsverwirrung, ist der Schutzstatus je nach Begriff doch klar verschieden.
Besonders der Begriff „Habitatgebiet“, das erst kürzlich
von der EU den Partnern auferlegt wurde, wirft Fragen auf. Dieser Begriff
ist noch nicht in Luxemburger Recht umgesetzt, also inhaltlich noch nicht
klar definiert, und es bestehen noch keine Ausführungsbestimmungen.
Es ist nach Ansicht der LNVL eine Zumutung, ein von Brüssel gefordertes
Schutzgebiet nun als „Kompensation“ für eine andere Biotopzerstörung
anzupreisen.
Wir weisen dabei auf einen Präzedenzfall hin: im
„Dippëcher Bësch“ wurde im letzten Jahr trotz „avis défavorable“
des Naturschutzdienstes eine Schneise durch ein aufgelistetes „Habitatgebiet“
geschlagen, mit der Absicht, einen Weg zur Holzentnahme anzulegen, ohne
ein Konzept für die Pflege eines solchen, auf europäischer Ebene
geschützten Gebietes vorzuzeigen. Prompt wurde Anfang dieses Jahres
im Nachhinein die Genehmigung für den Bau dieses Waldweges erteilt.
Da scheint die rechte Hand nicht zu wissen, was die linke tut.
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Fehlendes Engagement in der Finanzpolitik
Schaut man sich die Verteilung der Gelder im „Fonds de l'environnement“ über Jahre hinweg genauer an, so muss man feststellen, dass in den letzten Jahren überhaupt kein Wille bestand, größere Projekte anzukurbeln.
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Fazit nach einem Jahr Amtszeit der augenblicklichen Regierung: Ein globales Konzept fehlt noch immer
Eigentlich müsste man nach einem Jahre Amtszeit der
neuen Koalition die Richtung erkennen, die den Naturschutz für die
restliche Zeit der Legislaturperiode prägen sollte. Klare Zielsetzungen
fehlen immer noch. Eine Absprache mit dem Landesplanungsministerium scheint
nicht zu bestehen. Die Straßenbaupolitik definiert heute, wie seit
jeher, das Bild unserer Landschaften, zerteilt weiterhin die Lebensräume
und treibt die Biodiversität letztendlich in die Sackgasse. Naturschutz
wird weiterhin mit homöopathischer Dosis getätigt, anstatt einige
Großprojekte (siehe Renaturierung der Alzette, Ausweisen von Landschaftsschutzgebieten,
zwischenstädtische Grüngürtel ...) konsequent weiterzutreiben.
Mit Ideenmangel kann sich diese Lethargie nicht erklären lassen, denn
seit 1981 liegt ein Konzept für die Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten
vor. Ausgeweitet wurde diese Absichterklärung durch die von Europa
geforderte Liste von schützenswerten Lebensräumen.
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Seit Jahren leistet die LNVL wertvolle Arbeit im CSPN.
Nun aber ist sie nicht mehr gewillt, weiterhin über ferne Ziele, Leitbilder,
Nachhaltigkeit und europäische Naturschutzpolitik zu reden, wenn die
täglichen Praktiken in unseren Landschaften eine entgegengesetzte
Richtung einschlagen.
Es wäre auch an der Zeit, dass Minister Goerens
sich auch einmal klar äußert zu den bestehenden Problemen. Da
Naturschutz jedoch unabtrennbarer Bestandteil unserer Landesplanung ist,
muss auch die Regierung als Ganzes endlich begreifen, dass sie die in der
Koalitionserklärung gemachten Aussagen auch einmal anpacken muss.
Wir warten auf klare Konzepte im Bereich Natur- und Landschaftsschutz,
die zeitlich überschaubar sind und sich klar abgrenzen von anderen
politischen Zielen.
Es ist endlich an der Zeit, dass bei politischen Entscheidungen
im Naturschutzbereich korporatistische oder ökonomische Interessen
in den Hintergrund treten und ökologischen Überlegungen und Erkenntnissen
der Vorzug gegeben wird.