Landschaften - geprägt von Menschen, nicht von Konzernen!
Seit drei Jahren hat sich die LNVL intensiver mit dem Thema „Liewen op der Gewan“ befasst. Dreimal war der Jahresvogel ein Bewohner der Agrarlandschaft: Feldlerche, Goldammer, Braunkehlchen. Wir wollten aufmerksam machen auf die Gefahren, die der Biodiversität auf der Feldflur drohen. Doch mit Kritik am bestehenden System begnügte sich die LNVL nicht. Daher startete sie die Kampagne „Landschaft schmaacht“, die über die nächsten Jahre hinweg Produzenten, Konsumenten und Politiker überzeugen soll, dass unsere Landschaften und damit auch die Biodiversität von den Menschen, die hier leben, geprägt werden müssen. Darüber hinaus dürfen wir als Bewohner der Nordhälfte unseres Globus' nicht vergessen, dass wir mit unserem Konsumverhalten sehr wohl auch die Lebensbedingungen in den Drittweltländern prägen und eine enorme Verantwortung für Biodiversität und Landschaftsschutz im Südteil unserer Erde tragen.
Die Entscheidung, wie vielfältig unsere Landschaften in den nächsten Jahrzehnten aussehen werden, ob Kiebitz, Rebhuhn oder Feldhase noch zu sehen sein werden, ob die verschiedensten Blumenarten unseren Wiesen und Feldern noch einige Farbtupfer aufsetzen dürfen, hängt ganz klar von der zukünftigen Agrarpolitik ab. Diese wird immer mehr vom Verhalten des Konsumenten beeinflusst, der nicht mehr gewillt ist, wie in der Vergangenheit dem Diktat der Großkonzerne blindlings zu folgen. Doch die Multis suchen immer neue Formen, die Ernährung der Weltbevölkerung zu diktieren und die Gewinne davon einzustreichen.
Ernährungsautonomie in Europa gesichert
War am Ende des zweiten Weltkrieges die Sicherung der Ernährung für die gesamte Bevölkerung ein Hauptanliegen der europäischen Agrarpolitik, so wurde dieses Ziel schon Ende der siebziger Jahre erreicht und sogar weit übertroffen. Resultat einer ungebremsten Überproduktion war erstaunlicherweise nicht die Anteilnahme der ärmsten Länder unserer Erde am Überschuss (gerade in jenen Jahren herrschten die größten Hungersnöte), sondern die massenweise Vernichtung von Lebensmitteln zur Stabilisierung der Preise. 1978 deklarierte Valéry Giscard d'Estaing: „L'agriculture est le pétrole vert de la France“. Also Export zur Steigerung der Deviseneinnahmen, Produzieren der Produktion wegen und nicht um Menschen zu ernähren.
Kann intensive Landwirtschaft die Welternährung sichern?
Die Haltung Frankreichs wurde von vielen Ländern aufgegriffen, seltsamerweise auch von Drittweltländern (oder besser von Konzernen, die in Drittweltländern agieren). Nun aber widerlegen folgende Tatsachen eindeutig die Hypothese, dass eine intensivere Produktion den armen Ländern zu Gute komme:
Wer hat Interessen an einer industriellen Landwirtschaft?
Für den Konsumenten scheint es auf den ersten Blick
hochinteressant, industriell gefertigte und deshalb scheinbar billigere
Produkte zu erwerben. Doch leider sagen diese Preise nicht im geringsten
die Wahrheit. Verschwiegen wird, wie hoch der Beitrag von jedem einzelnen
ist in Bezug auf Beihilfen für Produktion, Bauten, Maschinen, Export
etc., Kosten für Transport, Lagerung, Kühlung, Entsorgung, Trinkwasserreinigung,
Beteiligung der Steuerzahler an Krankheitskosten, Notschlachtungen bei
hausgemachten Epidemien und Katastrophen, Nachfolgekosten für Umweltschäden.
In den USA stieg die Summe der direkten Beihilfen für Landwirte von
7 Mia. Dollar 1997 auf 22,5 Mia. Dollar 1999. Damit beträgt die mittlere
Beihilfe pro Kopf das 100fache des Einkommens eines philippinischen Maisanbauers.
Der Konsument zahlt in jedem Fall einen hohen Preis,
nur fließen die Gewinne zum kleinsten Teil in die Taschen der Produzenten.
Diese Devise ist umso gültiger für Länder der Dritten Welt.
Die wirklichen Nutznießer sind die Konzerne, die Geprellten sind
die Produzenten.
„Wer sich gut in das Muster der Großen einfügt,
bekommt gelegentlich ein Stückchen ab, muss sich dann aber auch immer
wieder mit Krümeln zufrieden geben. Die Mehrheit der Menschen ist
entweder ganz vom Wachstum abgeschnitten oder an dem Prozess als Verlierer
beteiligt“.
Das Jahrhundert der Umwelt Ernst Ulrich von Weizsäcker |
Konzerne zerstören die Artenvielfalt
In Asien sind bis heute 140 000 Reis-Varietäten registriert.
Die multinationalen Firmen aber arbeiten nur an 6 Varietäten im gentechnischen
Bereich, mit der Absicht, diese universell anzuwenden. Schon heute decken
5 von diesen Varietäten 60%-70% der Anbaufläche in vielen asiatischen
Ländern ab.
In Indien werden im Jahr 2005 dreiviertel aller Reissäcke
mit nur 10 Sorten gefüllt sein. Dieselbe Gefahr droht heute auch den
Getreide-, Kartoffel-, Gemüsearten etc.
„Terminator“
Die Natur hat die außergewöhnliche Fähigkeit,
sich selbständig immer wieder zu reproduzieren. Das hat den Bauern
über Jahrtausende hinweg erlaubt, sich eigenständig zu entwickeln.
Heute ist der Traum der Multis das „sterile Saatgut“.
Ein eingebautes Gen sorgt dafür, dass die geerntete Pflanze sich nicht
ein zweites Mal fortpflanzen kann. Der Landwirt kann also sein eigenes
Saatgut nicht mehr benutzen, muss jedes Jahr neues Saatgut von derselben
Firma kaufen und gerät somit in eine fatale Abhängigkeit der
Konzerne. Springt dieses „Terminator“-Gen auf andere Pflanzen über
(solche Übergriffe sind längst bekannt), so kann dies den Artenreichtum
unserer ganzen Erde unwiederbringlich gefährden. Nach vehementen Protesten
von Bauerngewerkschaften und Umweltschutzorganisationen machte der Produzent
Monsanto einen spektakulären Rückzug: „Terminator“ werde nicht
kommerzialisiert. Mehrere Firmen arbeiten aber mittlerweile an ähnlichen
Techniken.
Roundup
Roundup ist heute das meistgekaufte Pflanzengift auf der
Welt, eine Goldgrube für den Produzenten. Berühmt-berüchtigt
wurde das „Wundermittel“ eigentlich durch Raps-, Soja- und Baumwolle-„Roundup
Ready“. Die Gen-Techniker hatten die „blendende Idee“, diesen Wirtschaftspflanzen
ein Gen einzubauen, das Roundup-resistent ist. Nun können Landwirte
z.B. Raps „Roundup-Ready“ säen und beliebig viel Roundup ausbringen,
das alle Unkräuter zerstört mit Ausnahme des Raps'.
Resultat: Auf den „Roundup Ready“-Feldern wurde bis zu
70% mehr Unkrautvernichter ausgebracht als vorher. Dass Roundup das „umweltfreundlichste
Pflanzenvernichtungsmittel“ der Welt sei, wie der Produzent behauptet,
glaubt heute niemand mehr ernsthaft. Schwedische Forscher fanden heraus,
dass Roundup das Krebsrisiko erheblich steigert (4) und Monsanto wurde
im März 1999 vom New Yorker Staatsanwalt verurteilt, die Begriffe
„biologisch abbaubar“ und „ökologisch“ aus seiner Werbung zu streichen.
Überwachung durch Privatdetektive
Um sicherzustellen, dass alle Bauern auch wirklich das Monsanto Saatgut mit dem dazu passenden Unkrautvernichter anwenden (ein Kontrakt über Jahre hinaus wird unterschrieben), greift die Firma zu unfassbaren Methoden. Im Sommer 1998 „testete“ die Firma einige Flächen im Kanada: Ein Helikopter sprüht Roundup großflächig über die angezweifelten Felder. Überlebt das Saatgut, in diesem Falle Raps, so ist der Bauer ok. Sterben die Rapspflanzen ab, so hat der Landwirt gemogelt und kein genmodifiziertes Saatgut verwendet. Er kann nicht einmal gegen den Totalschaden Klage erheben. (1) |
Hier muss die Jahresbilanz stimmen und dafür sorgen die unglaublichsten
Verflechtungen von Politik und Wirtschaft. So findet man in der Liste der
Direktoren von Monsanto Mickey Kantor, Rechtsberater von Bill Clinton,
John E. Robson einst Schatzmeister in den USA oder William Ruckelshaus
einst Oberster Rat im amerikanischen Umweltministerium(!). (2)
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„Agent Orange“ oder wer einmal..., dem glaubt man nicht.
Wie könnte man allen Ernstes Vertrauen finden zu einem Konzern,
dessen Werbung „Ernährung Gesundheit Zukunft“ heißt, der aber
mit der skandalösen Vergangenheit des „Agent Orange“ behaftet ist?
Erinnern wir uns an den bislang größten chemischen Krieg der
Weltgeschichte! Zwischen 1962 und 1972 wurden über Vietnam 72 000
000 Liter „Agent Orange“ ausgegossen, eine Chemikalie die alles Grüne
vernichtet. Zweck war, durch die Entlaubung der Wälder den versteckten
Feind ausfindig zu machen. Ziel waren die Wälder entlang dem Ho-Chi-Minh-Pfad
auf einer Länge von 16 000 km.
Die erschreckende Bilanz:
Bleibt Luxemburg vom Einfluss der Multis verschont?
Niemand wird leugnen, dass sich auf unseren Tellern irgendwelche
Bestandteile aus dem Agrarcocktail der Großkonzerne wiederfinden.
Selbst eingefleischte Puristen von Ökokost müssen höllisch
aufpassen, um hochindustriell hergestellte Produkte zu vermeiden. Luxemburg
ist keine Insel auf unserem Globus.
Die Konzerne versuchen selbst in die entlegensten Winkel
unserer Erde vorzudringen, wie folgendes Beispiel belegt: Ein kleines,
entlegenes Dorf auf den Philippinen mit 300 Seelen, ohne Stromversorgung
und ohne Telefonverbindung, wurde mit dem „Pledge Award 1999“ ausgezeichnet,
einem Preis von Monsanto, gestiftet für die „Treue zum Konzern“, in
diesem Fall: Anwendung von 20 000 Litern hochgiftigen Herbizides. Die „Belohnung“
war ein Generator, eine Radioverbindung sowie das Versprechen, in Zukunft
freie Lieferung von genmanipuliertem Saatgut, das pestizid-tolerant ist
(sic!).
Auf diese Weise geraten selbst entlegenste Gebiete nach
und nach in die Abhängigkeit der Multis.
Gott sei dank hat Luxemburg bis dato wenigstens die Offensive
von genmodifiziertem Saatgut abgelehnt. Wie lange noch?
Jedenfalls stehen spätestens seit der Welthandelskonferenz
in Seattle Bauern, Gewerkschaften, Umweltschutz- und Drittweltorganisationen
Seite an Seite, um sich gegen das Diktat der multinationalen Konzerne zu
wehren und um die Landwirtschaft wieder menschlicher zu gestalten.
Regionale und biologische Labelprodukte sichern Unabhängigkeit
Will Luxemburg seine Landschaften und seine Artenvielfalt erhalten, so führt kein Weg an der ökologischen Landwirtschaft vorbei. Nur wenn der Konsument gezielt naturnahe, regionale, fair gehandelte, biologische Produkte im Handel fragt und kauft, selbst zu einem kleinen Mehrpreis, kann er dazu beitragen, die Vielfalt in der Agrarlandschaft in Luxemburg, Europa und in den minderbemittelten Ländern dieser Erde zu erhalten. Nur so können wir in Zukunft noch den Gesang von Feldlerche, Goldammer und Braunkehlchen erleben.
Quellen:
State of Food Insecurity in the World, FAO 1999
Nourrir le monde ou l'agrobusiness Ed. Orcades 2000
Paysans contre la malbouffe Ed. La découverte
2000
www.fao.org/nouvelle
(1) Le Monde 26/1/2000
(2) Le Monde 12/6/98
(3) Rafaël Mariano 23/9/99
(4) American Cancer Society www.poptel.org.uk
(5) Croix Rouge Vietnam 1999
Zur Lektüre empfohlen: José Bové et François Dufour:Bové et Dufour décrivent sous forme de dialogue leurs expériences de trente ans d'activisme pour une agriculture proche des hommes et de la nature. Surtout ils explorent les voies de l'avenir: produire mieux et autrement; préserver l'environnement et les ressources naturelles. Les moyens: l'alliance paysans-consommateurs-écologistes dont les ONGs du monde entier ont donné un coup d'envoi spectaculaire à Seattle, lors du sommet de l'Organisation mondiale du commerce. Isabelle DelforgeIsabelle Delforge démonte dans une enquête la mécanique bien rodée des sociétés multinationales de l'agrobusiness. Elle rencontre des paysans du tiers monde qui résistent à la marchandisation du vivant et refusent leur assujettissement vis-à-vis des industries agrochimiques. Outil indispensable pour tous ceux qui refusent que les règles du commerce et les intérêts privés priment sur le droit des peuples à se nourrir. |