Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga (LNVL)
Ligue Luxembourgeoise pour la Protection de la Nature et des Oiseaux asbl


  Pressekonferenz vom 9.3.2006
 

Remembrement – heute noch in der Legalität ?

Nachhaltigkeit als Basis

Weltweit gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit, das einerseits die Nutzung sogar naturschützerisch und landschaftlich wertvoller Gebiete erlaubt, andererseits aber hohe Ansprüche an eben diese Nutzung stellt, um den Schutz von Natur und Landschaft zu garantieren und kommenden Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten.

Für Luxemburg besonders wichtig sind verschiedene EU-Direktiven:
  • Die Wasserrahmenrichtlinie (2000) ; noch nicht in nationales Recht umgesetzt;
  • Die Vogelschutzrichtlinie (1979) und die Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie (1992) ;
  • Die Direktive über die Umweltverträglichkeit („UVP-Direktive“ 1985; 1997; 2003).
Schwarzer Peter für den Naturschutz

In Luxemburg werden das Konzept der Nachhaltigkeit und die betreffenden Direktiven missachtet. Dabei bieten sich gerade hier Chancen, ökonomische Interessen und Allgemeinwohl zu verbinden und Gelder rationell einzusetzen.

Die UVP-Direktive schreibt für bestimmte Projekte eine umfassende und frühzeitig auszuführende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vor, um Planungen so zu steuern, dass möglichst wenig Schaden an Natur und Landschaft entsteht.


In der Praxis wird weiter ohne Rücksicht auf Gewässer, Feuchtgebiete oder „ein paar Sträucher“ geplant; das Umweltministerium soll dann umgehend die Genehmigung liefern. Impaktstudien und Kompensationsmaßnahmen scheinen eher als lästige Alibi-Übung wahrgenommen zu werden (Beispiel: SOTEL) denn als Verpflichtung, Projekte umweltverträglich zu gestalten. Sogar gesetzlich festgelegte Kompensationsmaßnahmen werden in Frage gestellt (Beispiel: Renaturierung der Alzette südlich von Mersch, um die erheblichen Schäden an der Natur auszugleichen, die durch den Bau der Nordstraße entstanden sind).


Zieht das Umweltministerium dann die Notbremse und pocht auf die Einhaltung bestehender Gesetze, ist „den Environnement“ schuld, dass (Groß-)Projekte in Verzug kommen.

Remembrement (Flurneuordnung) wie in der guten, alten Zeit

Das Remembrement-Gesetz von 1964 war rein ökonomisch ausgerichtet. 1994 wurde es an die neuen Anforderungen angepasst durch den Zusatz « en évitant dans la mesure du possible, de porter atteinte au milieu naturel“ und ein angekündigtes Règlement grand-ducal über Impaktstudien – das es bis heute nicht gibt.

Ende der 90er Jahre zeigte ein Pilotprojekt in Grevenmacher, dass die moderne Flurneuordnung durchaus in Einklang mit den Bedürfnissen des Natur- und Landschaftsschutzes zu bringen ist“. So damals Landwirtschaftsminister Boden, der versprach, die „neue Ausrichtung“ würde in den zukünftigen Flurverfahren an der Mosel berücksichtigt. Allerdings wurden dann
in Schwebsingen durch das Remembrement ganze Hänge zerstört und weitere, eben so wenig nachhaltige (weil irreversible) Eingriffe in Natur, Landschaft und Geologie geplant.

Millionen öffentlicher Gelder werden in Projekte investiert, die Natur und Landschaft und damit auch die Interessen der Allgemeinheit für immer schädigen. Dabei erklärt der
EG-Vertrag ausdrücklich Erhaltung, Schutz und Verbesserung der Qualität der Umwelt, einschließlich Schutz der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, zum allgemeinem Interesse. Die LNVL erachtet dieses allgemeine Interesse für höherwertig als dasjenige der Flurneuordnung. Mithin müssen Remembrement-Projekte Landschafts- und Umweltschutz an erster Stelle berücksichtigen.

Die Projekte des Office National du Remembrement (ONR) mit ihrer ökonomischen Zielsetzung entsprechen auch nicht den Anforderungen einer zukunftsorientierten Landwirtschaft und einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums, welche die sozioökonomischen, ökologischen und kulturellen Belange gleichwertig berücksichtigen.

Ein Mentalitätswandel seitens des Landwirtschaftministeriums und des ONR ist dringend gefordert.

Der Millionenaufwand für die Flurneuordnung ist nur noch zu verantworten, wenn neben dem Einkommen der einzelnen Betriebe auch das öffentliche Interesse des Umwelt- und Landschaftsschutzes gesichert und Gesetze und Direktiven eingehalten werden.

Die Direktive über Umweltverträglichkeit
  1. Umsetzung: konform zum EU-Recht?
Der Punkt „Remembrement“, ein Projekt aus Anhang II der UVP-Direktive von 1997, wurde bei der Umsetzung in Luxemburger Recht herausgenommen. Das ist erlaubt „für Projekte, die im einzelnen durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden, da die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele einschließlich des Ziels der Bereitstellung von Informationen im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden“. Dieser Gesetzgebungsakt fehlt in Luxemburg. Wohl wurde im Gesetz von 1994 im Artikel 24bis ein großherzogliches Reglement hierzu vorgesehen, dieses lässt aber nach 12 Jahren immer noch auf sich warten.
Nach geltendem EU-Recht sind in einem solchen Fall die Anforderungen der EU-Richtlinie direkt anwendbar
.

Nach der UVP-Direktive muss für jedes Remembrement-Projekt eine Voruntersuchung auf mögliche Umwelt-Beeinträchtigung(en) durchgeführt werden (siehe Text im Anhang). Bei Verdacht auf eine erhebliche Beeinträchtigung ist eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

Da Remembrements dort geplant werden, wo noch Relikte der alten Kulturlandschaft mit einer kleinzelligen Parzellierung und Landschaftsstrukturen (Hecken, Feuchtgebiete, Trockenmauern,...) erhalten sind, ist praktisch immer mit Beeinträchtigungen von Natur, Landschaft und geschützten Arten, Lebensräumen und Gebieten zu rechnen – und also eine UVP durchzuführen. Diese bewertet die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf Mensch, Fauna und Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Sachgüter und kulturelles Erbe und die Wechselwirkung zwischen diesen.

Auch die Verpflichtung zu Alternativen ist in der Direktive festgeschrieben mit dem Ziel, Ausführungsmöglichkeiten für ein Projekt zu finden, die möglichst wenig Schaden an der Umwelt verursachen.

Die LNVL hat in einem Brief den Landwirtschafts- und den Umweltminister aufgefordert, die Konformität des Remembrement-Gesetzes mit den EU-Direktiven juristisch prüfen zu lassen.

2. Salami-Taktik: Verstoß gegen die Direktive?
80% Mosel der Mosel sind inzwischen flurbereinigt; die letzten landschaftlich und naturschützerisch wertvollen Hänge und Täler sollen angegangen werden. Häppchenweise! Eine solche „Salami-Taktik“ führt zur Unterschätzung der Auswirkungen auf die Umwelt.
Jurisprudenzen des Europäischen Gerichtshof zeigen eindeutig, dass die Europäische Kommission die Salami-Taktik als Verstoß gegen die UVP-Direktive ansieht.

Die LNVL legte dem Landwirtschafts- und dem Umweltministerium dar, dass das geplante Remembrement Hanner Fëls als Teil des Gesamtprojekts „Remembrement Schwebsingen“ zu betrachten und somit eine Impakststudie über das gesamte Remembrement-Gebiet durchzuführen ist.


In Schwebsingen grenzen die 2004 ausgeführten Projekte Kolteschlach(1), Räichelter(2) und die geplanten Projekte Hanner Fëls(3) und Lëtschberg(4) direkt aneinander und sind somit als Teile eines Projekts zu betrachten. Schon die einzelnen Teile haben massive Auswirkungen auf Natur und Landschaft, doch der Impakt des ganzen Projekt wurde nicht untersucht. Insgesamt ist die Zerstörung einer ganzen Landschaft geplant – ein Verlust nicht nur für die Natur, sondern auch für unsere Kultur.

3. Ungenügende Untersuchungen

Die LNVL fordert seit Langem, dass das ONR Impaktstudien durchführen lässt, die dem europäischen Standard entsprechen, also den Impakt eines Projekts auf Natur und Landschaft erfassen und bewerten.

Das Gesetz über den Zugang zu Umweltinformationen ermöglichte der LNVL die Einsicht in solche „Impaktstudien“. Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen.

Lediglich Inventare von Landschaftsstrukturen (Hecken usw.) wurden vom ONR in Auftrag gegeben, also nur ein kleiner Naturausschnitt untersucht, wo doch an der Mosel ganze Landschaften im wahrsten Sinne des Wortes umgebaut wurden!

Fehlende Elemente der Untersuchungen sind vor allem:

  • Tierarten, insbesondere geschützte Arten
Weder Arten, noch deren Lebensräume werden erfasst.


Im Remembrement-Gebiet Mompach-Herborn wurden mehrere Brutvogelarten nachgewiesen (Bestandsaufnahmen der LNVL), für die die EU besonderen Schutz von den Mitgliedsstaaten verlangt. Diese sind auf Landschaftsstrukturen und z. T. besonders auf Feuchtgebiete angewiesen. So liegt z.B. der Verbreitungsschwerpunkt des Rotmilan im Osten des Landes (Quelle: Centrale Ornithologique LNVL)


Die Grosse Hufeisennase ist eine der seltensten Fledermausarten Europas (Anhang II der FFH-Richtline) In Luxemburg ist nur noch eine Kolonie bekannt, die absolut schutzwürdig ist. Die Nahrungsgebiete befinden sich auch in den geplanten Remembrement-Gebieten um Schwebsange (Quelle: Die Fledermäuse Luxemburgs, Travaux scientifiques du Musée National d'Histoire Naturelle, Luxembourg)
  • Wechselwirkungen
Auch an sich wenig wertvolle Naturstrukturen können beispielsweise als Korridore für wandernde Arten oder als „Trittsteinbiotope“ oder Teillebensräume von Bedeutung sein. Diese wichtigen Untersuchungen werden nicht durchgeführt.
  • Wasser und EU-Wasserrahmen-Richtlinie
Die Wasserrahmenrichtlinie fordert den guten chemischen und ökologischen Zustand aller Gewässer bis 2015. Statt diese Ziele umzusetzen, wird in Bauwerke investiert, die den unnatürlichen Zustand der Gewässer (eingetiefte Kastenform) festschreiben ein Widerspruch zur EU-Direktive!

Dränagen haben massive Auswirkungen auf Wasserhaushalt und Standorteigenschaften, Wasserrückhaltung und Wasserqualität (Dünger und Pestizide gelangen ins Wasser). All diese Umweltauswirkungen werden nicht untersucht!
Remembrement Mompach/Herborn:
Neue Anlagen wie diese müssen wieder rückgebaut werden, wenn der naturnahe Zustand der Gewässer wieder hergestellt werden soll. Eine unverantwortliche Verschwendung öffentlicher Gelder! Gerade im Rahmen der Flurneuordnung könnte die Renaturierung der Gewässer in Planung und Arbeiten einbezogen
- und Gelder rationell eingesetzt werden.

Das Feuchtgebiet Réier befindet sich in der Ausweisungsprozedur zum Naturschutzgebiet. Trotzdem plante das ONR hier Dränagen.

Die LNVL hatte sich besonders für den Schutz des Tals des Lelligerbachs und des Naturschutzgebiets Réier eingesetzt. Hier wurden jetzt Dränagen vom Umweltministerium verweigert, wie auch in einigen anderen ökologisch wertvollen Flächen.
  • Boden
In Schwebsingen wurden Hänge oben abgeschnitten und unten aufgeschüttet. Nicht nur die Landschaft, sondern auch die Geologie, die sich in Jahrtausenden entwickelte, wurden innerhalb weniger Monate zerstört. Ein ungeheurer Eingriff, der nicht in den „Impaktstudien“ aufgeführt wird!

Auch im (Teil-)Projekt Schwebsingen-„Hanner Fëls“ plante das ONR den Abtrag des Bodens auf der gesamten Fläche und sogar des darunter liegenden Felsens bis in einen Meter Tiefe. Später sollte dann wieder Boden aufgetragen und so für viel Geld kleine Reliefunterschiede glatt gebügelt werden.

Wie in anderen Projekten sollten mehrere tausend Tonnen Erde von außen zugeführt werden. Weinbaugebiete riskieren zu verkappten Deponien für Bauschutt, Klärschlamm oder ähnlichen „Abfall“ zu verkommen! Darauf sollen dann qualitativ hochwertiger Wein produziert werden.

  • Landschaft, insbesondere historisch und kulturell wertvolle Landschaften
Die Auswirkungen auf die Landschaft in ihren Bedeutungen als Kulturgut, historisches Zeugnis und (Nah-)Erholungsgebiet werden nicht bewertet.

Die Flurneuordnung wird mit Brachialgewalt und im wahrsten Sinne des Wortes von Grund auf betrieben, um die historische, abwechslungsreiche Landschaft an die moderne Technik anzupassen. Während Landwirte und Winzer im Rahmen der Cross Compliance die „gute landwirtschaftliche Praxis“ einhalten müssen, setzen sich Staat und ONR über elementare Anforderungen an Natur- und Landschaftsschutz hinweg.

Schwebsingen-Räichelter: es war einmal....
Natur- und Kulturgüter im Räichelter: im wahrsten Sinne des Wortes dem Erdboden gleichgemacht!

Typische Landschaften wie die Moselregion mit einerseits sanften Hügeln und kleinen Reliefunterschieden, andererseits den Steilhängen mit ihren Terrassen und Trockenmauern sind Teil unserer Kultur und Identität. Darüber hinaus stellen sie auch einen ökonomischen Wert dar (Tourismus).

Schwebsingen-Hanner Fëls stößt direkt an den zerstörten Räichelter.
Das Umweltministerium verweigerte die Genehmigung zur Zerstörung dieses schönen Tals vor allem aus Gründen des Landschaftsschutzes.
  • geschützte Gebiete
Weder der Impakt auf nationale, noch auf internationale Schutzgebiete wird untersucht. Dabei befindet sich das Remembrement-Gebiet Schwebsingen in direkter Nähe eines internationalen Schutzgebiets (Ramsar), eines Natura 2000-Gebiets und von nationalen Naturschutzgebieten.
Mompach/Herborn: Dieser Weg wurde 2005 in den „Réier“ hinein gebaut, der sich in der Ausweisungsprozedur zum Naturschutzgebiet befindet
  • « Natura 2000 »
Die Vogelschutzrichtlinie (1979) und die Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie (1992) schützen bestimmte Arten und Lebensräume. „Natura 2000-Gebiete“ vernetzen europaweit Schutzgebiete für diese Arten und Lebensräume.
Nutzungen, welche deren Erhaltungsziele nicht beeinträchtigen, wie die (extensive)
Landwirtschaft, sind erlaubt. Dagegen dürfen Projekte, auch außerhalb der Gebiete, welche diese beeinträchtigen könnten, nur aus „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ durchgeführt werden, allerdings unter bestimmten Auflagen und nur wenn keine Alternativlösung möglich ist. Bei prioritären Arten und Lebensräumen gelten die Gesundheit des Menschen oder die öffentliche Sicherheit als „zwingende Gründe“ .
Der Impakt von Remembrement-Projekten auf solche Arten, Lebensräume und Gebiete wird nicht untersucht. Hier ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen EU-Richtlinien vorliegt.
Die LNVL ist der Meinung, dass die Flurneuordnung kein „zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses sein kann, der eine Beeinträchtigung rechtfertigen würde. Remembrement-Projekte sind, nach entsprechenden Untersuchungen über eventuelle Auswirkungen, so auszuführen, dass eine Schädigung dieser auf EU-Ebene geschützten Arten, Lebensräume und Gebiete ausgeschlossen werden kann.

„Kompensationen“

Jahresbericht 2004 des Landwirtschaftsministeriums: die Impaktstudie zum Wéngertsbierg in Greiveldingen „a été clôturée par un bilan compensatoire largement positif.“

Wie kommt ein solcher rein rechnerischer Überschuss an Kompensationsmaßnahmen – also ein Gewinn für die Natur – zustande? Der Wert von Landschaftsstrukturen wird üblicherweise auf einer Punkteskala ausgedrückt, welche jedem einzelnen Element je nach Bedeutung eine gewisse Wertzahl zuordnet. Außerdem wird vom ONR die Fläche der verschiedenen Elemente bei der Berechnung herangezogen.

  • Nur ein kleiner Teil der natürlichen Elemente wird bewertet und deren Funktionen (Lebensraum ...) gar nicht erfasst. Erste Unterschätzung des Werts eines Gebietes! 
  • Von den wenigen festgestellten Strukturen wird ein großer Teil zu Nicht-Biotopen erklärt. Zweite Unterschätzung! Im Wéngertsbierg Greiveldingen werden von 107 angeführten naturschutzrelevanten Strukturelementen nur 59 anerkannt; in Schwebsingen-Hanner Fëls sogar nur 11 von 56.
  • Von den restlichen, als schützenswert anerkannten Elemente bleiben einige erhalten - wenn auch größtenteils beeinträchtigt durch Dränagen und Wege. Diese Beeinträchtigungen werden entweder gar nicht bewertet oder als unerheblich eingestuft. Dabei werden sogar als sehr wertvoll anerkannte Strukturen werden durch Wegebau beeinträchtigt!
  • Andere werden „kompensiert“. Diesen „Kompensationen“ wird ein sehr hoher Wert zuerkannt, wobei recht kreativ vorgegangen wird, wie folgende Beispiele zeigen:
2 Beispiele:

Greiveldingen


In der Strukturkartierung wird vor allem der Wert der Trockenmauern hervorgehoben: „Diese Elemente werden mit dem Seltenheits / Regenerierbarkeitswert 6 (stark gefährdet / bedingt regenerierbar) beziffert“. Neben der Bedeutung als Biotope sind die Terrassen auch landschaftlich besonders wertvoll. Trotzdem sah das ONR deren Zerstörung vor - ein irreversibler Schaden an der Landschaft! Neue maschinengerechte Terrassen sollten angelegt werden. Das Einsäen der so entstandenen Böschungen mit Gras wurde vom ONR als hochwertige Kompensationsmaßnahme angegeben: „en pleine zone d'exploitation viticole un élément naturel de grande valeur“! Eine solche Vorgehensweise grenzt schon an Zynismus. Das Projekt wurde vom Umweltministerium nicht genehmigt!

Schwebsingen Hanner Fëls

Ein Biotop soll zerstört werden für die Anlage eines Rückhaltebeckens (1506 m²), das als wertvolle Kompensationsmaßnahme („élément naturel de valeur“) angeführt wird. O Ton der „Impkatstudie“ des ONR: „ En outre les engrais et pesticides emportés par les eaux superficielles et évacués par le réseau qui s'y déverse seront retenus et partiellement dégradés, le bassin jouant le rôle de station d'épupration naturelle. » Wahrlich ein wertvoller Ausgleich für die Zerstörung der Landschaft !

Diese beiden Beispiele zeigen, mit welchen Methoden der vom Landwirtschaftsministerium hervorgehobene „Überschuss an Kompensationsmaßnahmen“ erreicht wird.
Diese systematische Augenwischerei muss der Vergangenheit angehören. Die LNVL fordert EU-konforme Umweltverträglichkeitsprüfungen mit dem Ziel, die Ausstattung an Lebensräumen usw. so weit wie möglich zu erhalten, respektive zu verbessern. Kompensationsmaßnahmen sind ausschließlich als vollwertigen Ausgleich für Auswirkungen zu entwickeln, die nicht vermieden werden können.

Für das im Remembrement-Gesetz vorgesehene Règlement grand-ducal über Impaktstudien und Kompensationsmaßnahmen erarbeitete die LNVL ein Positionspapier, das sie dem Landwirtschafts- und dem Umweltminister zukommen ließ.
Hauptpunkt ist die Konformität des Gesetzes mit EU-Direktiven.

Remembrement- Gesetz

Die Praxis des Remembrement entspricht nach Auffassung der LNVL nicht mehr den ursprünglichen Zielen, wie sie im Gesetz festgelegt sind:

Art. 1er.
Afin d'assurer, dans l'intérêt général, une exploitation plus économique des biens ruraux, il peut être procédé, conformément aux dispositions de la présente loi, et en évitant dans la mesure du possible, de porter atteinte au milieu naturel, au remembrement des terres morcelées et des terres dispersées.
Art. 2.
Le remembrement tend à améliorer les biens-fonds en constituant, par un nouveau lotissement, des parcelles ayant de plus grandes surfaces, des formes mieux adaptées aux façons culturales et des accès indépendants.
Le remembrement peut être accompagné de la création et de l'aménagement de chemins, de voies d'écoulement d'eau et de travaux d'amélioration foncière tels que travaux d'assèchement, d'irrigation, de nivellement, de défrichement et autres ouvrages connexes.

Ziel der Flurneuordnung an der Mosel ist nicht die Zusammenlegung verstreuter Parzellen, sondern die Anpassung der Landschaft an moderne Maschinen, wie eindeutig in den Objektiven für das Gebiet « Hanner Fëls » formuliert wird: „Les principes directeurs de cet aménagement sont donc définis par ces considérations:

  • pour l'exploitation dans le sens de la pente, il faut adapter idéalement la pente des coteaux aux deux limites supérieures imposées par la mécanisation. Pour une exploitation optimale, qui peut être effectuée sous toutes les conditions, la pente ne devrait pas dépasser 30%. (...)
  • limiter le dévers de l'interligne à 8%. (...) »
Landschaft aus dem Computer !
Eingriffe solchen Ausmaßes können nach Auffassung der LNVL keinesfalls durch das Gesetz gedeckt werden.

„Travaux connexes“
Dem Wegebau kommt über die eventuelle Beeinträchtigung wertvoller Biotope hinaus eine große Bedeutung zu bei der Zerstörung des Landschaftsbildes. So soll rund 10% des Gebiets Hanner Fëls zusätzlich durch Neuanlage und Verbreiterung von Wegen versiegelt werden!

Schwebsingen-Kolteschlach: Schäden an Wegen schon im ersten Betriebsjahr: Auch hierfür wird die Allgemeinheit aufkommen müssen : « Le taux de participation de l'Etat aux frais exposés par les communes pour l'entretien et la réparation des chemins d'exploitation, voies d'eau et autres ouvrages d'art non privés, créés ou maintenus lors du remembrement ainsi que des éléments de verdure bordant les chemins est fixé à trente pour cent. Ce taux est fixé à quatre-vingts pour cent lorsque les travaux susvisés sont dus à des calamités naturelles. »

Für die volkswirtschaftlichen Folgeschäden von Dränagen muss die Allgemeinheit aufkommen (Hochwasser, schlechte Gewässerqualität).

Die Idee der „Travaux connexes“ hat sich verselbständigt. Scheinbar werden Remembrement-Projekte geplant, mit dem Ziel, Wege anzulegen.

Die Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga stellt fest:
Landwirtschaft und Weinbau in Luxemburg müssen erhalten bleiben, die Betriebe dieses Sektors müssen über ein angemessenes Einkommen verfügen können.

Die Agenda 2000 der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik ist eine Chance, langfristig ein solches Einkommen im Einklang mit dem Recht der Allgemeinheit auf den Schutz der Umwelt (also von Natur, Landschaft, natürliche Ressourcen und Tiere) zu garantieren.

Die Subventionen an die Landwirtschaft sind als Entgelt für diese Leistung für das Gemeinwohl zu interpretieren.

Investitionen in die Zerstörung von Natur und Landschaft und die Intensivierung der Landwirtschaft im Rahmen des Remembrement laufen allen internationalen Anstrengungen zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums zuwider.

Die aktuelle Situation stellt sich so dar:
  • Hauptziel der aktuellen Remembrement-Projekte ist nicht die Felderzusammenlegung, sondern die am Computer berechnete Anpassung der Landschaft an die moderne Technik.
  • Die „Impaktstudien“ und „Kompensationsmaßnahmen“ des ONR entsprechen nicht den EU-weit applizierten Standards und Direktiven.
  • Ganze Landschaften werden für immer zerstört; geschützte Lebensräume und Arten geschädigt.
  • Die Travaux connexes (Wege usw.) sind zu einem Selbstzweck geworden: was technisch machbar ist, wird ausgeführt.
  • Die juristische Situation in Bezug auf mehrere EU-Direktiven muss überprüft werden.
  • Die Auslegung des Gesetzes als Freikarte zum kompletten Umbau ganzer Regionen zu maschinengerechten „Landschaften“ verstößt gegen die Interessen der Allgemeinheit.
Die Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga fragt:
  • Kann die aktuelle Remembrement-Praxis im Rahmen der Agenda 2000 heute noch als „intérêt général“ gelten, oder aber wird der Allgemeinheit Schaden zugefügt – unter Aufbringung von Millionen öffentlicher Gelder?
  • Ist das ONR/das Landwirtschaftsministerium mit dieser Praxis heute noch in der Legalität?
Die Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga fordert :
  • die Überprüfung der juristischen Situation. Hauptelemente sind
    • die Konformität des Remembrement-Gesetzes zu den UVP-Direktiven;
    • die Beachtung der Vogelschutz- und FFH-Direktiven;
    • die Legalität der angewandten Salami-Taktik;
  • kurzfristig das im Remembrement-Gesetz vorgesehene Règlement grand-ducal, um die Prozeduren und den Inhalt der Umweltverträglichkeits-/Impaktstudien an die Anforderungen von Direktiven und Gesetzen anzupassen.
  • mittelfristig ein neues Remembrement-Gesetz, welches das Prinzip der Nachhaltigkeit, die neuen internationalen Konventionen und Direktiven und die Umwelt-Anforderungen der GAP umsetzt.
  • die Wahrnehmung der Vorbildfunktion seitens öffentlicher Institutionen und Verwaltungen betreffend die Investition öffentlicher Gelder.
Umdenken ist angesagt:
  • statt im Rahmen der Remembrements einseitig auf die Einkommenssteigerung durch Intensivierung hinzuarbeiten, sollen alternative Einkommensquellen wie Prämien für extensive oder biologische Bewirtschaftung konsequent gefördert werden;
  • die Landschaftspflegeprämie soll an Bedingungen geknüpft werden, welche die Landschaft wirklich schützen;
  • für die Mosel ist ein Globalplan gefordert, der nicht einseitig auf das Remembrement von Weinbergen ausgerichtet ist, sondern die Region in ihrer Gesamtheit bewertet. So könnten Weinbau, Kultur, Natur und Tourismus vereinbart werden (siehe Unesco).
  • eine spezielle Biodiversitätsprämie sollte geschaffen werden, die den Winzern erlaubt, auf naturschützerisch wertvollen Flächen ohne Einkommensverlust zu produzieren;
  • allgemein sollen extensive Produktionsmethoden, vor allem Bio-Landwirtschaft und –weinbau, gefördert werden.

Anhang
Nach der UVP-Richtlinie 97/11/EG muss jedes Projekt von Anhang II, zu denen auch das Remembrement zählt; auf folgende Auswahlkriterien hin überprüft werden:

1. Merkmale der Projekte
Die Merkmale der Projekte sind insbesondere hinsichtlich folgender Punkte zu beurteilen:
- Größe des Projekts,
- Kumulierung mit anderen Projekten,
- Nutzung der natürlichen Ressourcen,
- Abfallerzeugung,
- Umweltverschmutzung und Belästigungen,
- Unfallrisiko, insbesondere mit Blick auf verwendete Stoffe und Technologien.
2. Standort der Projekte
Die ökologische Empfindlichkeit der geographischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise beeinträchtigt werden, muß unter Berücksichtigung insbesondere folgender Punkte beurteilt werden:
- bestehende Landnutzung;
- Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen des Gebiets;

- Belastbarkeit der Natur
unter besonderer Berücksichtigung folgender Gebiete:
a) Feuchtgebiete,
b) Küstengebiete,
c) Bergregionen und Waldgebiete,
d) Reservate und Naturparks,
e) durch die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten ausgewiesene Schutzgebiete; von den Mitgliedstaaten gemäß den Richtlinien 79/409/EWG und 92/43/EWG ausgewiesene besondere Schutzgebiete,
f) Gebiete, in denen die in den Gemeinschaftsvorschriften festgelegten Umweltqualitätsnormen bereits überschritten sind,
g) Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte,
h) historisch, kulturell oder archäologisch bedeutende Landschaften.
3. Merkmale der potentiellen Auswirkungen
Die potentiellen erheblichen Auswirkungen der Projekte sind anhand der unter den Nummern 1 und 2 aufgeführten Kriterien zu beurteilen; insbesondere ist folgendem Rechnung zu tragen:
- dem Ausmaß der Auswirkungen (geographisches Gebiet und betroffene Bevölkerung),
- dem grenzüberschreitenden Charakter der Auswirkungen,
- der Schwere und der Komplexität der Auswirkungen,
- der Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen,
- der Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen.
(Anhang III)

Ergibt diese Vorprüfung, dass wahrscheinlich erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind, muss eine umfassende Umweltprüfung durchgezogen werden:

Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:
- Mensch, Fauna und Flora,
- Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,

- Sachgüter und kulturelles Erbe,

- die Wechselwirkung
zwischen den unter dem ersten, dem zweiten und dem dritten Gedankenstrich genannten Faktoren."
(
Artikel 3)


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