Flussperlmuscheln
Wandlungsfähig
und schützenswert
Kalber Wehr: Durch das Umbauen dieses
Teilstückes der Our wurde zur
Erhaltung der Flussperlmuschel beigetragen.
Die wenigsten Leute können mit
dem Begriff «Flussperlmuschel» etwas anfangen. Doch in der
Our wird versucht, einen großen Bestand aufzubauen.
TEXT: DAVID THINNES
Perlen sind nicht unbedingt das,
was man im Ösling erwartet. Neugierige werden auch keinen Perlentaucher
finden, der mit dem Schnorchel im Mund auf der Suche nach dem wertvollen
Objekt ist. Der Zufall treibt ein Sandkorn in die Muschel. So reift dann
die Perle im Innern. Doch Flossen und Taucherbrille können im Keller
bleiben. Denn die Wahrscheinlichkeit, eine Perle in einer Flussperlmuschel
zu finden, ist praktisch null.
FAUNA UND
FLORA sind verletzlich. Es gilt sie zu schützen und mit
größter Aufmerksamkeit zu behandeln. Deswegen gibt es neben
dem Naturpark Obersauer ein zweites geschütztes Gebiet im Nordosten
des Landes: der Naturpark Our. Vor etwa 12 Jahren begann dieses Projekt
mit fünf Gemeinden im Rahmen des SIVOUR (Syndicat intercommunal de
la vallée de l’Our).
Eine besondere Zuwendung gilt zur-
zeit der Flussperlmuschel, seit 1987 auf der Roten Liste der bedrohten
Arten. Erste Voraussetzung für ihre Existenz ist kalkarmes Süßwasser.
Nur hier kann
sie überleben. Für die
Fortpflanzung benötigt sie jedoch die Hilfe der Fische. Optimal wäre
der Lachs, der gilt jedoch als ausgestorben in Luxemburg. «Wir züchten
die Bachforelle und setzen sie dann in der Our aus», erklärt
Lexi Arendt von der Stiftung «Hëllef fir d’Natur»,
Verantwortliche dieses Projektes.
Die Muschel-Männchen setzen die Samen aus. Diese werden von den Weibchen,
über die Atemwege, die Kiemen, aufgenommen. Sollte einmal Not am Mann
(oder Frau) sein, hat die Muschel eine Lösung parat. Lexi Arendt:
«Die Flussperlmuschel ist ein Zwitter. Sie kann sich in das fehlende
Geschlecht umwandeln. Trotzdem ist es aber keine gesunde Fortpflanzung.»
Das Weibchen befruchtet die Eier, die es dann auf dem Flussboden ablegt.
Der Flussboden muss steinig sein. Schlamm behindert die Entwicklung. In
den Kiemen eines Fisches, vorzugsweise der Bachforelle, nisten sich die
Eier für sechs bis sieben Monate ein. Dann verlassen sie den Fisch.
Viel Ähnlichkeit mit einer Muschel haben sie in diesem Zustand noch
nicht. Sie sind weiß, durchsichtig und weich. Außerdem sind
sie dann erst zwei Millimeter groß. Ausgewachsen messen sie bis zu
14 Zentimeter. Das Alter kann man übrigens, wie bei einem Baum, an
den Ringen auf der Schale erkennen.
«Die
Flussperlmuschel ist ein Zwitter. Sie kann sich in das zur Fortpflanzung
fehlende Geschlecht umwandeln.»
Lexi Arendt,
Hëllef fir d’Natur
DIE BACHFORELLE
ist jedoch nicht «recycelfähig». Einmal Larven in den
Kiemen, baut sie Antikörper auf und kann kein zweites Mal «Babysitter»
für die Flussperlmuschel spielen. Deshalb werden in der Our jedes
Jahr ungefähr 10.000 Bachforellen ausgesetzt. Bis an den Rand des
Aussterbens wurde die Flussperlmuschel von den Perlenräubern gebracht.
Eine regelrechte Perlenfischerei ließ die Bestände immer kleiner
werden. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts weiß man von 150.000
geernteten Perlen innerhalb von vier Jahrzehnten. An erster Stelle der
Bedrohung steht aber noch immer die Gefährdung durch Wasserverschmutzung
und fehlende Kläranlagen. Der heutige Bestand beträgt etwa 1.500
bis 1.800 Muscheln. Dieser soll in den kommenden fünf Jahren um 1.000
erhöht werden. Hierfür wird eine Zuchtstation in der zurzeit
noch heruntergekommenen Kalbermillen errichtet. Es liegt ein Projekt bei
der EU vor. Die Verantwortlichen hoffen auf
eine fünfzigprozentige Unterstützung.
«Durch die Habitatdirektive, eine Liste von bestimmten geschätzten
Arten, wird die Flussperlmuschel als gefährdet angesehen. Wir erhoffen
uns also die Zusage dieser Gelder. Wenn nicht, werden wir das Projekt trotzdem
durchziehen», so Lexi Arendt zur Finanzierung der Kalbermillen. Immerhin
ist der Bestand in der Our der größte westlich des Rheins. Der
Erhalt der Flussperlmuschel wäre auf diese Weise auf längere
Zeit gesichert. Die Rede ist sogar wieder von Flussperlmuschelbeständen
in Deutschland und Belgien. Außerdem liegt die Muschel nicht faul
im Wasser rum: sie ernährt sich von Plankton. Fünf Liter pro
Tag filtert sie auf diese Weise. Die Entnahme ihrer Nahrung aus dem Wasser
ist indes ein Beweis für die hohe Wasserqualität.
NICHT ERLAUBT
ist die Fischerei in der Our ab dem 1. August. In dieser Zeit werden die
Larven vom Weibchen im Flussbett abgelegt. Ebenfalls nicht mehr erlaubt
sind Kanu fahren und Vieh, das die Our durchquert. Die Flussperlmuschel
ist resistent. Die 800 Kilo einer Kuh hält sie dennoch nicht aus.
Kommt kein größeres Tier, Kanufahrer oder sonstige externe Beeinträchtigung
dazwischen, kann die Flussperlmuschel 80 bis 100 Jahre alt werden. Je kälter
das Wasser ist, desto älter wird sie. Hinzufügen muss man noch,
dass sie sich nicht zum Verzehr eignet. Auch wenn einige holländische
Camper dies einmal versucht haben.
Durch dieses Projekt wird die Flussperlmuschel
wesentlich bekannter in Luxemburg. Sie sollte sich aber in Ruhe entwickeln
können, ohne Eingreifen etwaiger Störenfriede. Außerdem
hat die Perle, falls man überhaupt eine findet, keinen Handelswert...
Flussperlmuschel: Luxemburg verfügt
über
den grössten Bestand westlich des Rheins |
Fast ausgewachsen: Die Flussperlmuschel
wird maximal 14 Zentimeter gross. |
Wasserverschmutzung: Die Qualität
muss ständig überwacht und verbessert werden. |
«Kalbermillen»: Hier
wird eine Zuchtstation für Flussperlmuscheln aufgebaut. |
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