d'Lëtzebuerger Land 7.3.2008
Made in Happyland

Kormorankiller

Guy Rewenig

Made in Happyland

HEUTE loben wir die Fliegenfischersektion des Luxemburger Sportfischerverbandes. Nur durch Zufall erfahren wir normal Sterblichen von den haarsträubenden Zuständen im Fischereibereich. Um es kurz zu machen: Es herrscht Krieg an den einheimischen Flussgewässern. Zwei verfeindete Lager liefern sich heroische Schlachten um das Recht, Fischen den Garaus zu machen: einerseits die friedliebenden Fischer, andererseits die feindseligen Kormorane.
Kormorane sind unzivilisierte, ständig randalierende eurasiatische Wasservögel, die gleich auffällig werden durch ihren gewalttätigen wissenschaftlichen Namen: Phalacrocorax. Allein dieses Wort klingt schon nach Kriegserklärung. Im Prinzip tun Kormorane nichts anderes als die Fischer: Sie ziehen Fische aus dem Wasser. Doch während die Fischer dabei bedächtig, behutsam und oft auch erfolglos vorgehen, räumen die Kormorane unter den Fischbeständen mit einer irrsinnigen Brutalität auf. Sie fischen schneller als die Fischer ihr Gerät auspacken können. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Auf Kriegsfuß mit dem unverschämten Phalacrocorax steht seit Jahren Gusti Graas, der Vorsitzende des Sportfischerverbandes. „Nach einem Lob an den Vorstand für die hervorragende Arbeit brachte er das Thema Kormoran zur Sprache und zeigte sich enttäuscht von Minister Lucien Lux", heißt es in einem Zeitungsbericht übet die Generalversammlung der Fliegenfischersektion. Diese Enttäuschung können wir nur teilen. Denn von einem Umweltminister muss man nun wirklich verlangen können, dass er täglich nach Feierabend auf Kormoranjagd geht. Mit dem superschnellen Luxusschlitten, den er als Minister fährt, ist die Kormoranvertreibung ein Kinderspiel. Den öffentlichen Transport würden wir für gezielte Überfälle auf Kormorankolonien nicht empfehlen: zu langsam, zu störungsanfällig, zu unflexibel.
„Zum Thema Kormoran meinte Graas, dass jeder sich ausrechnen könne, wie viele Fische eine Kolonie von nachgewiesenen 300 bis 400 Tieren bei einem durchschnittlichen Appetit von 500 Gramm Fisch am Tag fressen würde", heißt es weiter im Pressebericht. Den durchschnittlichen Appetit einer Kolonie von nachgewiesenen 300 bis 400 Fliegenfischern kennen wir leider nicht. Wir müssen aber davon ausgeben, dass die Fischer selbst bei anhaltender Hyperaktivität niemals die Fressleistung der Kormorane auch nur annähernd nachahmen können. Was wir hier beobachten, trägt den wissenschaftlichen Namen concurrence déloyale. Da muss Remedur geschaffen werden. Wir haben einen Vorschlag zur Güte.
Wie wäre es denn, wenn Umweltminister Lucien Lux den stark benachteiligten Fliegenfischern einen sogenannten „Kormoran-Crashkurs" anbieten würde? Es geht bei dieser sehr effizienten Trainingsmethode darum, Fischern bestimmte Kormorankapazitäten anzuerziehen. Ein gewisser Hang zur
Kormoranmentalität ist ja schon vorhanden. Sonst wäre unerklärlich, wieso Menschen stundenlang an Gewässern hocken mit dem einzigen Ziel, diese Gewässer von ihrer Fischpopulation zu befreien. Das Problem ist nur: sie hocken, statt wie Kormorane zu tauchen. Sie müssen aufgerüttelt werden, damit sie ihre kontraproduktive Passivität aufgeben. Sonst bleiben die Kormorane ihnen ewig überlegen.
Im Vergleich zum scharfen Schnabelhaken des Kormorans ist der lächerliche Angelhaken des Fischers höchst untauglich. Die Fliegenfischer sollten sich schnell dazu aufraffen, ihre gesamte Ausrüstung mitsamt Angeln und dekorativen Ködern ins Gebüsch zu schmeißen und sich mit vollem Gewicht ins Wasser stürzen. Ein bisschen Übung wird ihnen bald erlauben, blitzschnell mit dem Gebiss die Fische zu packen und den Einsatz der Kormorane zu vereiteln. Natürlich haben die Kormorane einen entscheidenden Vorteil: sie können fliegen. Das ist aber kein unüberwindliches Hindernis. Der Sportfischerverband kann ja eine Spendenaktion lancieren, um Flügelprothesen für alle Mitglieder zu finanzieren. Falls diese künstlichen Flügel dann auch noch mit dem Slogan Mir fléien ouni Auspuff versehen werden, ist eine fette Prämie vom Umwettminister so gut wie sicher.
Der Phalacrocorax ist leider ein sehr einseitiges Tier. Er lebt ausschließlich von Fischen. Auf dem Gebiet der Ernährung ist ihm der Fliegenfischer haushoch überlegen. Er kann nämlich problemlos vom Fisch zur Schweinshaxe wechseln. Oder zum Apfelkompott. Oder zur Polenta mit gebratener Wurst. Da sehen wir mal wieder, dass der Mensch am Ende doch das intelligenteste Lebewesen ist. Er kann übrigens auch auf das Fliegenfischen verzichten. Das wäre vielleicht die schönste Blamage für die räuberischen Kormorane. Einfach den Sportfischerverband auflösen: da würden die Kormorane vor Wut Fischgräten spucken! Und der Umweltminister könnte seinen Luxusschlitten wieder exklusiv zur Selbstdarstellung nutzen.