Luxemburger Wort 25.2.2005
 
 
In wessen Hand gehört das Schicksal des Luxemburger Waldes?
"Da bin ich aber vollkommen anderer Meinung"
Ein Streigespräch zwischen Tom Conzemius,Präsident der "Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutsliga", und Charles Konnen, Präsident des "Office national du remembrement"
Er steht im Mittelpunkt, wie schon lange nicht mehr: der Luxemburger Wald. Rund ein Drittel der Fläche Luxemburgs ist mit Wäldern bedeckt und dank der Debatte über eine nachhaltige Energieversorgung gewinnt Holz wieder an Bedeutung. Vor wenigen Tagen hat Umweltminister Lucien Lux gefordert, mehr Kapital aus den Wäldern zu ziehen. Wichtige Voraussetzung dafür sind eine verbesserte Infrastruktur und größere Parzellen. Mit dieser Aufgabe ist zurzeit das „Office national du remembrement" betraut - zum Leidwesen zahlreicher Naturschützer. Aber nicht nur daran scheiden sich die Geister. Anlass für einen Meinungsaustausch zwischen dem Präsidenten der „Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga" (LNVL), Tom Conzemius, und dem Präsidenten des „Office national du remembrement" (ONR), Charles Konnen.
Herr Conzemius, als das ONR Ende 2004 eine Broschüre zum 40-jährigen Bestehen herausbrachte, spuckte die LNVL dem Jubilar mit einem kritischen Pressekommunikee in die Suppe. Warum?

Tom Conzemius: Wir stellen einfach Defizite in puncto Naturschutz fest. Bei vielen Remembrements ist das Ergebnis nicht so, wie es hätte sein sollen und können. Trotzdem ist die LNVL nicht prinzipiell gegen Remembrements. Sie haben ihre Daseinsberechtigung und wir sind sogar der Überzeugung, dass sowohl die Natur als auch die Landwirtschaft als Gewinner aus Re-membrement-Vorhaben hervorgehen kann. Vorausgesetzt, die Projekte werden von Anfang an im Dialog gemanagt. Natürlich übersehen wir nicht die Anstrengungen, die das ONR in Sachen Naturschutz macht. Wir erkennen dies an, aber es reicht nicht. Noch gibt es keine Gleichberechtigung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Deshalb mischen wir uns ein!

Charles Konnen: Darin sind doch alle Lobbys gleich: Sie fordern immer mehr! Natürlich kann man mehr machen, aber dazu bedarf es auch der notwendigen Mittel. Wir vom ONR tragen ein enges Korsett: Ein Gesetz schreibt uns vor, was wir zu tun haben. Das können wir ebenso wenig außer Acht lassen wie den Respekt vor dem Privatbesitz, den die Verfassung vorschreibt. Deshalb ist es für eine Lobby immer einfacher, Forderungen zu stellen, als für eine verantwortungsbewusste Verwaltung sie umzusetzen. Dennoch haben wir Verständnis für die LNVL, die sich als treibende Kraft von Verbesserungen erweisen kann. Im Prinzip haben wir auch nichts gegen ihre Forderungen. Allerdings muss die Politik unsere Instrumente, die sich in Sachen Landwirtschaft und Naturschutz bewährt haben, anpassen, so dass wir auch andere Ziele anstreben können. Sympathie hege ich auch für den Ansatz der Liga, alles    gemeinsam anzugehen: Denn wer repressiv vorgeht, der erreicht nichts!

Den schwarzen Peter verdient demnach die Politik?

Tom Conzemius: Seit der Reform des Remembrement-Gesetzes 1994 müsste für jedes Projekt eine Impaktstudie gemacht werden. Wie die auszusehen hat, sollte in einem „Règlement grand-ducal" erläutert werden. Dieses Reglement besteht bis heute nicht. Das ist ganz klar ein Versäumnis der Politik. Und es ist zutiefst bedauerlich, ist es doch eine der Hauptursachen, wieso es zu Konflikten kommt. Würde eine solche Studie nämlich vor jedem Projekt gemacht werden, müssten sich die Partner gleich zu Beginn einigen und dann wäre die Situation weit weniger verfahren. So bleibt für
den Umweltschutz nur der zweite Preis, indem er zu retten versucht, was noch zu retten ist. In Europa ist man da schon weiter: Die neue Agrarpolitik setzt ganz klar auf eine extensive Bewirtschaftung, die nicht mehr nur auf die Produktivität schaut. In dieser Hinsicht ist das ONR-Gesetz veraltet. Es ist der Produktivitätssteigerung verpflichtet, nicht aber dem Natur-, Landschafts- und Quellenschutz sowie der Nitrate-Problematik.

Ihr Lösungsvorschlag?

Tom Conzemius: Es gibt Anzeichen dafür, dass das überfällige Reglement in der Mache ist. Ich hoffe, dass es die drei neuen EU-Direktiven, was Impaktstudien angeht, berücksichtigt. Das wäre ein großer Schritt nach vorn.

Charles Konnen: Das Landwirtschafts- und das Umweltministerium arbeiten daran. Aber auch ohne Reglement kommen wir der Verpflichtung nach und prüfen die Auswirkungen unserer Projekte auf die Natur.

Tom Conzemius: Da bin ich aber vollkommen anderer Meinung. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen Inventar, Impaktstudie und „Etude d'incidences sur l'environnement". Das eine geht viel weiter als das andere. Was Sie bis dato getan haben, ging nie ...

Charles Konnen: ... sagen Sie es nicht, ich widerspreche sofort...

Tom Conzemius: ... über ein Inventar vorhandener Naturelemente hinaus. Das neue Reglement sollte öffentliche Impaktstudien zu einem frühen Zeitpunkt vorschreiben.

Charles Konnen: Wir machen mehr als nur ein Inventar. Wir lassen die Auswirkungen der Remembrements von Experten prüfen.

Tom Conzemius: Die Studien gehen nicht weit genug. Zusätzlich muss das ONR-Gesetz an den Richtungswechsel in Europa angepasst werden. Das geht aber nicht zum Nulltarif. Daher unsere Forderung nach der Schaffung eines Fonds, um dem ONR die Möglichkeit zu geben, Naturschutz zu betreiben.

Charles Konnen: Grundsätzlich stehen wir so einer Idee positiv gegenüber. Der Weg zu einer Kohabitation von Landwirtschaft und Naturschutz führt meines Erachtens über eine „Réserve foncière publique", die es dem ONR erlauben würde, in den Besitz der schützenswerten Parzellen zu kommen.

Tom Conzemius: Es reicht aber nicht, einen bestimmten Prozentsatz der Landschaft unter Naturschutz zu stellen, wenn die übrigen Parzellen intensiv genutzt, sprich massiv gedüngt, werden. So etwas bezeichnet man als „Schutz- und Schmutzflächen" und das kann heute nicht mehr Ziel einer europäischen Agrarpolitik sein. Es muss darum gehen, auch auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen Naturschutz zu betreiben. Dank einer Reihe von Prämien ist dieser Richtungswechsel greifbar nahe. Es bedarf aber noch einiger Überzeugungsarbeit.

Charles Konnen: Ich habe nichts gegen diese Ziele, aber es ist nicht unsere Mission, die Leute zu ihrem  Glück zu zwingen. Die Extensivierungsprogramme in    Europa laufen auf freiwilliger Basis. Aus gutem Grund: Wir wollen ja keine neuen Kolchosen errichten. Der Impuls muss von unten kommen. Ist der Anreiz groß genug, setzen sich die neuen Formen durch.
 
 

 

Tom Conzemius: Laut Gesetz muss ein Bauer, der eine Landschaftspflegeprämie erhalten will, die gute landwirtschaftliche Praxis einhalten. Und die verbietet Drainagen. Doch das ONR drainiert ganze Hektare, verstößt also gegen die gute Praxis und arbeitet auf eine intensive Landwirtschaft hin. Dabei fördern die europäischen Gesetze gerade das Gegenteil. Ergo: Das ONR hat die Philosophie der neuen Agrarpolitik noch nicht intus!

Charles Konnen: Den Vorwurf, wir würden uns nicht an die Gesetze
halten, weise ich weit von mir. Wir halten uns daran, wie es sich für eine Verwaltung gehört. Zu den Dränagen: Wir dränieren nicht mehr in sensiblen Gebieten, sondern nur noch in landwirtschaftlich interessanten Flächen, wo wir keine Biotope zerstören. Gleichzeitig ist unser Blick nach vorne gerichtet: Starke Regenfälle werden sich auf Grund des Klimawandels häufen und um Hochwassern vorzubeugen, sollten bestimmte Flächen reaktiviert werden.

Tom Conzemius: Wir von der LNVL sind nicht mit der ONR-Aussage einverstanden, dass Dränagen einen Hochwasserschutz darstellen. Eher das Gegenteil ist der Fall!

Ein Winzer aus Schwebsingen
meinte unlängst, das ONR
würde zwischen „Hammer und
Amboss" agieren...

Tom Conzemius: Das ONR arbeitet heute anders als vorher. Das loben wir. Und in Grevenmacher hat es bewiesen, dass es auch ökologische Remembrements von Weinbergen machen kann. Zur Zufriedenheit aller. Leider ein Einzelfall, wie das Projekt „Kolteschlach" in Schwebsingen beweist.

Charles Konnen: Die Ausgangspositionen sind nicht vergleichbar. Da man sich in Schwebsingen nicht einigen konnte, entschied die Politik. Wir führten nur aus.

Tom Conzemius: Das ist eine der Ursachen, weshalb wir absolut nicht damit einverstanden sind, dass sich das ONR um das Waldremembrement kümmert. Wir haben eine Forstverwaltung, die dem Umweltministerium untersteht und in die ein volles ökologisches Bewusstsein Einzug gehalten hat. Ihr Auftrag ist es, den Wald zu verwalten und sie hätte auch den richtigen Weg dazu eingeschlagen. Doch nun hat das ONR den Wald für sich entdeckt und geht im Alleingang vor, ohne sich mit der Forstverwaltung abzusprechen. Dagegen wehren wir uns. Die ONR-Instrumente gehören auf die Forstverwaltung übertragen.

Charles Konnen: Wir können uns auch auf Gesetze berufen. Und wir tun nichts im Alleingang, wie die Zusammenarbeit mit der Wiltzer Forstverwaltung im Pilotprojekt Ischpelt zeigt. Nur gemeinsam können wir so hohen Zielen wie dem Klimaschutz näher kommen.

Tom Conzemius: Trotzdem gehört das Waldremembrement in die Forstverwaltung. Dieser Ansicht ist auch der Umweltminister.

Charles Konnen: Unser Jurist behauptet das Gegenteil.

Interview: Luc Marteling

Charles Konnen, 57, Präsident des „Office national du remembrement" Tom Conzemius, 41, Präsident der „Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga"