Die
Fonderie-Story
- Juni 2001:
Erster Brief
der LNVL an den Innenminister, um auf die besonderen
Möglichkeiten
der Fonderie hinzuweisen. Antwort des Ministers (wie auch auf alle
folgenden
Briefe): keine. Der Petinger Bürgermeister, dem wir eine Kopie des
Briefes schickten, schrieb uns, er möchte über den weiteren
Verlauf
informiert werden.
- Oktober 2001:
Unterredung
mit der Gemeinde Petingen, während der die LNVL ihre
Vorschläge
erläutern konnte. Diese Unterredung war von der Forstverwaltung
organisiert
worden nach einer Begehung der Brache auf Vorschlag der LNVL.
Konkrete
Resultate der Sitzung:
- Das
Umweltministerium ließ eine
Gesamtplanung über die Fonderie ausarbeiten mit Einzelplänen
für das Naturschutzgebiet (um den Weiher) und die Renaturierung
der
Korn. Die LNVL-Sektion Petingen arbeitete ehrenamtlich an diesen
Plänen
mit.
- Die Stiftung
,Hëllef fir d’Natur’
stellte mit dem Umweltministerium, der Gemeinde Petingen und der LNVL
als
Partner einen FEDER/EFRE-Antrag (‚Europäischer Fonds
für
Regionale Entwicklung’) auf finanzielle Förderung des
Projektes (‚Développement
ou adaptation des infrastructures en respect des contraintes
environnementales’).
Die Zielsetzung für die Fonderie sieht vor: «
l’intégration
de la protection de la nature au sein du réaménagement
d’une
friche industrielle » ; « le résultat pourrait se
présenter
comme lieu de récréation, de recontre, conservation du
patrimoine
culturel et naturel et ainsi fonctionner comme point central de la
région
». Der Antrag wurde im Oktober 2003 angenommen. Die LNVL fragt
sich
(und die Gemeinde!), wie dieses Projekt angesichts der aktuellen
Planung
verwirklicht werden soll...
- ...?: Unterredung
der Gemeinde mit
der Agora und der Forstverwaltung über diese Leitidee. Die LNVL,
die den Anstoß dazu gegeben hatte, war nicht eingeladen.
- November 2002
– Juni 2003:
Teilnahme der LNVL an den Koordinierungsrunden der Agora auf
eigene
Inititative und, wie wir per Email erfuhren, auf Vorschlag der Gemeinde.
- Dezember 2002:
Vorstellung
„Freiraumplanerische Vorstudie“ des
Umweltministeriums (unter Mitarbeit
der LNVL-Petingen) mit konkreten Vorschlägen für das
Integrieren
der bestehenden Naturelemente und der alten Gebäude in die
zukünftige
Nutzung. Natur schonende Bebauung und Wegeführung sollten
gewährleisten,
dass die Einwohner die Fonderie später auch als Park und für
kleinere kulturelle Ereignisse (z. B. von Vereinen) nutzen
könnten.
Die schönen alten Baumgruppen sollten genügend Raum behalten
und untereinander verbunden, die (renaturierte) Korn und das
Naturschutzgebiet
mit Stegen erschlossen werden für ein unmittelbares Naturerlebnis.
Ein Lehrpfad „Industrie und Wasser“ schwebte uns vor... Ein
Visiting-Center
in den alten Hallen sollte Einblick in die Natur- und
Kulturschönheiten
der Gegend geben, ein positives Bild der Gemeinde und des Korntals
vermitteln
und als Naturschule funktionieren. Die renovierten Gebäude sollten
auch gewerblich genutzt werden können (Büros...).
- März 2003:
Erster Gestaltungsvorschlag
der Agora: „Variante 1“. Diese Variante wurde von
Naturschutzseite
nicht akzeptiert, da sie keinen unserer Vorschläge
berücksichtigte,
sondern die Zerstörung der vorhandenen Natur und Gebäude auf
der Industriefläche bedeutete. Auf unseren Protest hin versicherte
der Directeur adjoint damals, die Variante werde „im weiteren
Verlauf
verfeinert, bzw. modifiziert werden.“ (Genau dieser Plan
wurde jedoch,
mit einer kleinen Änderung, später zurückbehalten. Er
kann
unter http://www.agora.lu/fr/pdf/etude_faisabilite_rodange_dk.pdf
heruntergeladen
werden.) In weiteren Koordinierungsrunden und einem Besuch auf der
Fonderie
wurde versucht, zumindest Elemente der „Freiraumplanerischen
Vorstudie“
einfließen zu lassen.
- Juni 2003:
Beschluss der
Regierung 7,6 ha „für die Renaturierung der Korn“
aufzukaufen.
In seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage des Deputierten
Gusty
Graas bestätigte der Innenminister dies im August und sprach von
der
„moitié du terrain“. Nach unseren Berechnungen
verbleiben, sogar
unter Einbeziehen der gesamten Fläche des aktuellen
Naturschutzgebietes,
kaum 6 ha für die Renaturierung, und mit Sicherheit nicht die
Hälfte
des Geländes... Weiter sprach der Minister von einem an der
(renaturierten)
Korn vorgesehenen Visiting-Center; dessen Verwirklichung – wie
auch die
Renaturierung der Korn! - ist allerdings mehr als fraglich.
- ...?: Unterredung
zwischen Ministern,
Gemeinde Petingen und Agora mit dem Ziel, sich für eine
Variante
zu entscheiden. Die LNVL war darüber nicht unterrichtet.
- 30. Juni 2003:
Schock für
die LNVL in der (wie sich herausstellen sollte: letzten)
Koordinierungsrunde:
Statt eines Vorschlags, wie die Standpunkte weiter angenähert
werden
könnten, erwartete uns die Mitteilung von der Entscheidung
zugunsten
von Variante 1.
Als Grund für
diese Entscheidung
wurde die „Wirtschaftlichkeit“ genannt.
Mit diesem Prinzip der
Wirtschaftlichkeit
wurden alle Vorschläge der LNVL abgewiesen. So weigerte sich die
Agora
z. B., die Straße um wenige Meter zu verlegen (diese wäre
dadurch
ein paar Meter länger geworden) um die Baumgruppen zu erhalten,
setzte
sich jedoch nicht mit Möglichkeiten auseinander, wie eine
ökologische
Planung auch Kosten eingespart hätte. Hochgespielt wurden hingegen
die Kosten, die das Restaurieren der Hallen verursachen würde. Die
Agora geht von 200 Millionen Franken aus, eine andere Schätzung
beläuft
sich auf 50 Millionen. Die Kosten für Abriss und fachgerechte
Entsorgung
der Gebäude sind uns nicht bekannt. Um die Renovierungskosten
niedriger
zu halten, schlug die LNVL vor, nur einen Teil der Hallen zu erhalten,
bzw. das Gebäude als Außenhaut zu renovieren und innen mit
Einzelelementen
zu gestalten – gelungene und funktionelle Beispiele wurden im
Ausland gestaltet
(Beispiele im Internet). So hätte die Gemeinde über eine
Halle
mit besonderem Charakter verfügt für gewerbliche, kulturelle
oder administrative Zwecke.
Wir sind uns bewusst,
dass die finanziellen
Anforderungen, die unser Projekt bedeuten würde, für die
Gemeinde
Petingen allein nicht tragbar wären. Hier hätte eine
Zusammenarbeit
mit den Nachbarländern neue (Ko-)Finanzierungs-Möglichkeiten
erschlossen. Die Idee der LNVL, der Fonderie eine regionale
Ausstrahlung
zu geben und einen interregionalen Naturpark „Chiers“
zusammen mit den
französischen und belgischen Nachbarn zu schaffen, wurde jedoch
nicht
verfolgt: die Planung für die Fonderie wurde vollkommen
überstürzt.
Die Tatsache, dass auch nach Bekanntwerden der Annahme des
FEDER-Antrags
kein Umdenken erfolgte und an den „wirtschaftlichen“
Plänen festgehalten
wird, schockiert. Es bleibt nichts als eine banale Gewerbezone, was dem
Auftrag der Agora keineswegs entspricht.
Ein Grund für den
Abriss aller
Gebäude ist die Nähe zum Data Center (Besucherverkehr
unerwünscht).
Deshalb wird auch das gut erhaltene und sicher nicht verseuchte kleine
Gebäude abgerissen, für das sich die Forstverwaltung
interessierte
(falls die Hallen nicht erhalten werden sollten), da es sich wegen der
Nähe zu Korn, Weiher und verbleibender Feuchtwiese für ein
naturpädagogisches
Zentrum (Naturschule) geeignet hätte. Somit wird es wohl kein
Besucherzentrum
geben
- Die unnachgiebige
Haltung der Agora
zwang die LNVL zu einer Pressekonferenz, um die Öffentlichkeit
aufmerksam
zu machen auf die Diskrepanz zwischen dem Auftrag der Agora und dem,
was
sich in der Praxis abspielt.
- In einem Brief an
die Gemeinde
wies die LNVL auf die Konsequenzen der Entscheidung für Variante 1
hin: in diesem Plan hat Lebensqualität keinen Platz. Antwort der
Gemeinde:
keine.
- September 2003:
Neue Überraschung
für die LNVL: die Umklassierung der Fonderie in einem ersten Votum
des Gemeinderats. Die Umklassierung der Industriezone ist an sich
begrüßenswert,
da sie vielfältige Nutzungsmöglichkeiten eröffnet,
welche
aber nach vorliegenden Plänen nicht annähernd
ausgeschöpft
werden. Aus ökologischer Sicht bedeutete diese Umklassierung sogar
eine Verschlechterung der aktuellen Situation, entgegen der Darstellung
des Bürgermeisters, der laut Wort-Artikel befand,
„Nichtsdestotrotz
werde mittels Grünflächenerweiterung und
Renaturierungmaßnahmen
konsequent in den Naturschutz investiert“. Die Grünzone
(„zone rurale“)
an der Korn war nämlich in die neue Zone einbezogen worden,
wodurch
die Kornufer nicht mehr vor Bebauung geschützt waren. Für die
Natur blieb nur ein um einen wichtigen Teil verkleinertes (dafür
um
einige von der Agora nicht gebrauchte Ecken vergrößertes)
Naturschutzgebiet
übrig. Andere schützenswerte Biotope waren nicht
zurückbehalten
worden.
Die Vorgehensweise
für diese
Umklassierung war übrigens recht originell: Die Gemeinde
stützte
sich bei ihrem Votum u. a. auf einen „Avis“ der Commission
d’aménagement,
diese wiederum auf die im „Dossier de classement“ der
Forstverwaltung
festgelegten Grenzen für die Naturschutzzone - nur betrachtete
besagte
Verwaltung das Dossier nicht als definitiv; damit waren die
„festgelegten“
Grenzen nicht „festgelegt“. Diese Grenzen sind vor allem
abhängig
vom Renaturierungsprojekt.
Die LNVL-Vertreter
erfuhren von dieser
Umklassierung gerade an dem Tag aus der Presse, als sie
Staatssekretär
Berger über die Fonderie führen durften. Der
Staatssekretär
hatte den LNVL-Sektionen Petingen und Differdingen diesen Besuch
anlässlich
einer Unterredung über die Industriebrachen und die Landesplanung
im Korntal versprochen. So konnten die ihm unterstellte Forstverwaltung
und die LNVL ihre Ideen vor Ort darlegen und ihn von der Wichtigkeit
solcher
Projekte überzeugen.
Die Umklassierung
soll anscheinend
die Lösung des Problems „Solutrasid“ ermöglichen.
Dies wäre
jedoch auch mit einem wirklich nachhaltigen Projekt möglich. Es
bleibt
außerdem die Frage, ob die Solutrasid nicht wieder in direkter
Wohnnähe
angesiedelt wird.
Angesichts des
absoluten Mangels
an Information und Kooperation seitens der Gemeinde, der Aussagen des
Bürgermeisters
zur Umklassierung, welche die Realität total verzerrten, und
insgesamt
der Haltung der Gemeinde in diesem Dossier konnte unsere
Präsidentin
Françoise Rollinger ihr ‚Amt’ als
Naturschutzdelegierte der Gemeinde
nicht mehr mit ihrem Engagement für den Naturschutz, besonders
für
die Industriebrachen, vereinbaren und reichte ihre Demission ein. In
einer
darauf folgenden Unterredung zwischen Gemeinde und LNVL wurde zwar der
Wille zu einem Kompromiss bekundet; zu einer Unterredung mit der Agora
kam es jedoch nicht (Termingründe?).
Die Sektion
Petingen legte offiziell
Einspruch gegen die Umklassierung ein und wurde, wie es das Reglement
vorschreibt,
vom Schöffenrat empfangen.
Daraufhin sollte ein
Kompromiss
zwischen Geneinde und Agora ausgearbeitet werden, bevor die Gemeinde in
einem 2., definitiven Votum über die Zukunft der Brache
entscheidet.
Wie stellt sich die
aktuelle Situation
dar? Die Forstverwaltung muss sich, nachdem sie Vorschläge
für
eine moderne, nach nachhaltigen Prinzipien gestaltete Bau-/Gewerbezone
vorgelegt hat, dafür einsetzen, dass die bestehende Situation
nicht
noch verschlechtert, d. h. eine geschützte Zone (zone rurale) zur
Bebauung freigegeben wird. Ein Teil des Naturschutzgebiets wird
zerstört.
Die Tatsache, dass die Verwaltung, statt innovative Projekte zu
realisieren,
ihre Mission darauf beschränken muss, den vor Jahren erreichten
Schutzstatus
einer Fläche zu verteidigen – wohlgemerkt nicht
gegenüber einem
privaten Promotor, sondern einer
„Entwicklungsgesellschaft“, die zur Hälfte
dem Staat gehört, gegenüber! - beweist, dass in
Luxemburg
der Naturschutz keinen Stellenwert besitzt, entgegen aller schönen
Worte der Politiker.
Möglicherweise
wird diese Grünzone
zum Naturschutzgebiet erklärt werden (müssen), damit sie in
Zukunft
vor solchen Übergriffen besser geschützt ist. So wird ein
Naturschutzgebiet
aus Aufschüttungen und einem kanalisierten Fluss geschaffen
– als
Austausch für ein ökologisch wertvolles Feuchtgebiet. Einen
Sinn
kann diese Klassierung überhaupt nur bekommen durch eine
(ökologisch!)
optimale Renaturierung der Korn (an die wir nicht mehr so recht glauben
können). Viel Sinn hingegen bekommt diese Umklassierung für
die
Gesellschaft Agora (also Staat und ARBED): die Vergrößerung
des bestehenden Naturschutzgebietes um 2 ha wird von deren
ökologischer
Gesinnung zeugen - ohne das kleinste Zipfelchen Bauland gekostet
zu haben. In der Bauzone wird man kaum noch Grünzonen vorsehen,
hat
man doch das Seine für die Umwelt getan! Ein herrliches Beispiel
für
private Promotoren....
Während
für das Vorzeigeprojekt
Belval-Ouest ein mit Millionen dotierter Fonds geschaffen wurde, wird
in
die Brache Rodange kein Euro investiert.
Bevölkerungsmäßig
gehört die Gemeinde Petingen zu den 5 wichtigsten Gemeinden des
Landes
und könnte doch wohl Ansprüche auf etwas mehr
Lebensqualität
anmelden, statt einem solch minimalistischen Projekten zuzustimmen.
- Januar 2004:
Während
die meisten Entscheidungsträger nach ein paar (Alibi-)Diskussionen
„vergaßen“, dass die LNVL Partner in diesem Projekt
ist, bat Staatssekretär
Berger um den „Avis“ der LNVL zu den
Umklassierungsprojekten. Wir ließen
ihm eine detaillierte Stellungnahme zukommen in der Hoffnung, dass das
Umweltministerium seine Verantwortung übernimmt.
Auf der Fonderie
könnte ein
Pilotprojekt für Luxemburg entstehen, das der Gemeinde zur Ehre
gereichen
und zeigen würde, wie man Gewerbezonen und Natur verbinden und
damit
ein Stück Lebensqualität erhalten kann. In dieser stark
versiegelten Gemeinde sind solche neuen Projekte bitter nötig.
Oder
wird – wie seit Jahrzehnten – alles
„plattgemaach“, werden weiterhin Hallen
gebaut ohne Bezug zur Umgebung, zu Natur und Landschaft und zu den
Menschen,
die dort wohnen?
Braucht man
für ein solches
Resultat wirklich eine „Entwicklungsgesellschaft“
Agora?
Und:
Wie steht es um das
Demokratieverständnis
und die Glaubwürdigkeit unserer Politiker?
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