Dem
ONR zum Vierzigsten
Zur Broschüre
„40 Jahre Office
National du Remembrement“ (ONR) möchte die Lëtzebuerger
Natur-
a Vulleschutzliga (LNVL) ein paar Denkanstöße
beisteuern.
Auch die LNVL sieht die
Felderzusammenlegung
als wichtige Maßnahme, um den wenigen landwirtschaftlichen
Betrieben,
die wir in Luxemburg noch haben (werden), eine effizientere
Bewirtschaftung
zu erlauben. Die Kulturlandschaft wird jedoch nicht nur
landwirtschaftlich
genutzt, sondern dient gleichzeitig auch als Erholungslandschaft
für
den Menschen und als einmaliger, schützenswerter Lebensraum
für
Tier- und Pflanzenarten. Deshalb müssen wir als
Naturschutzorganisation
einen kritischen Blick auf den großen Eingriff in die Natur
werfen,
den eine Flurneuordnung immer bedeutet, und für ein nachhaltiges
Konzept
in Übereinstimmung mit heutigen ökologischen Erkenntnissen
und
im Sinne der Nachhaltigkeit eintreten.
Das erste
„Flurbereinigungsgesetz“
aus dem Jahr 1964 war im Geist der damaligen Zeit rein wirtschaftlich
ausgerichtet,
das ökologische Bewusstsein in dem neu geschaffenen Amt und
bei den Bauern noch nicht entwickelt, und so wurde bis vor nicht all zu
langer Zeit die Flur im wahrsten Sinne des Wortes
„bereinigt“ - nämlich
von Hecken, Bäumen und Feldrainen.
1994 wurde dem Gesetz eine
ökologischere
Ausrichtung gegeben: Artikel 24bis schreibt für jedes
„Remembrement“
eine Impaktstudie vor. Ein Règlement grand-ducal soll dessen
Inhalt
und Ausführung definieren. Eine Impaktstudie stellt nicht nur ein
Inventar vorhandener Naturelemente auf, sondern untersucht den
ökologischen
Schaden des Eingriffs in die Landschaft und schreibt
Kompensationsmaßnahmen
für nicht vermeidbare Schäden fest. Bis heute hat es eine so
umfassende Impaktstudie zu keinem Remembrement-Projekt gegeben.
Der
Landwirtschaftsminister lobt
im Vorwort das ONR für das Einbeziehen der „Anliegen des
Naturschutzes
in der Planung und Umsetzung, wie es die Bilanzen der Impaktstudie
eindeutig
belegen“ und für die „Beachtung der nachhaltigen
Entwicklung“.
Demnach müssten vor
allem auch
nachhaltige Landwirtschaftsformen im Rahmen des
„Remembrement“ gefördert
werden. Leider sind nach Angaben des ONR nach den letzten
Flurneuordnungen
nur 36 ha, also 0,7 % der Gesamtfläche von 5000 ha, zur extensiven
Bewitrtschaftung vorgesehen.. Dagegen wurden 200 ha bewirtschaftete
Flächen,
also 4% der „remembrierten“ Gesamtfläche, trocken
gelegt (die dadurch
verursachten Beeinträchtigungen angrenzender, zum Teil
ökologisch
wichtiger Flächen nicht eingerechnet).
Bei näherem Hinsehen
fällt
die Öko-Bilanz also eindeutig negativ, oder wie in der
Broschüre
definiert, eindeutig zugunsten der Ökonomie aus. Dabei
könnten
allein im Perimeter Mompach mehrere Kilometer Grünland längs
der Bäche für solche innovativen und nachhaltigen Projekte
wie
extensive Beweidung genutzt werden.
Die LNVL stellt für
eine Vervollständigung
der Bilanz gerne weitere Daten zur Verfügung, wie etwa das
Verschwinden
der Grauammer aus ihrem letzten in Luxemburg bekannten Brutgebiet
nach der Flurneuordnung in Bürmeringen.
In punkto Naturschutz
begrüßt
die LNVL selbstverständlich die Heckenpflanzungs-Initiative des
ONR.
Allerdings werden neu gepflanzte Hecken Jahrzehnte brauchen, um den
ökologischen
Wert der gerodeten Hecken zu erreichen.
Vorrang haben bei
Remembrement-Projekten
nach wie vor Strukturverbesserungen und
Produktivitätssteigerungen.
Während die EU laut über die durch intensive
Landwirtschaft
verursachten ökologischen und ökonomischen Belastungen
für
kommende Generationen nachdenkt, werden in Luxemburg weiterhin
Arrondierung
der Parzellen, Wegebau und Bodenmeliorationen zu 90% mit Steuergeldern
finanziert, ohne Bindung an Vorschriften wie Anpassung an die
Landschaft,
Biotopverbund und Hochwasserschutz.
Auch wenn im Vergleich
zu den 80er
Jahren viele Verbesserungen erzielt wurden, ist eine wirklich
gleichberechtigte
Berücksichtigung von landwirtschaftlichen und
naturschützerischen
Interessen bisher nicht festzustellen.
80% der Weinbauflächen
sind bereits „remembriert“. Die Arbeitserleichterung ist
enorm, was die
LNVL begrüßt. Nachdem in den 90er Jahren ONR und
Forstverwaltung
gemeinsam Pilotprojekte bei Grevenmacher durchführten, die
naturschützerisch
wie auch landschaftsästhetisch überzeugen, wurden die dort
angewandten
behutsamen und nachhaltigen Methoden schon in Schwebsingen nicht mehr
umgesetzt.
Während laut ONR die Mosellandschaft nur „im mikrokosmischen
Maßstab“
verändert wird und die natürlich gewachsenen
Weinbergsubstrate
nur „teilweise aufgelockert“ werden, würden wir, bei
allem Respekt,
die aktuellen Eingriffe doch als sehr landschafts-verändernd
beschreiben.
Davon kann sich jeder überzeugen, der die massiven Erdbewegungen
sieht.
Was da wohl von einem natürlich gewachsenen Boden übrig
bleibt?
Aus diesen
Überlegungen heraus
hegt die LNVL größte Bedenken in Bezug auf geplante Waldflurneuordnungen.
Immerhin handelt es sich beim Wald um ein äußerst sensibles
und kompliziertes Ökosystem, das eine weit umsichtigere
Herangehensweise
benötigt als die vom ONR praktizierten Methoden.
Es ist absolut wahr,
dass „die angestrebte
Symbiose von Ökonomie und Ökologie nur Gewinner kennt“.
Dies
kann aber nur funktionieren, wenn die Flurneuordnungen auf der Basis
der
Gleichberechtigung von Landwirtschaft und Naturschutz geplant und
ausgeführt
werden. Bei Ausgaben von jährlich 2,5 Millionen Euro sollte das
Allgemeinwohl,
und somit auch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen,
absolute
Priorität haben. Dies umso mehr, als das Flurneuordnungsgesetz
dieses
Gemeinwohl in Artikel 1 ausdrücklich als Ziel nennt.
Um dies zu erreichen
schlägt
die LNVL als dringendste Maßnahmen vor:
- das Schaffen einer Koordinierungszelle
ONR-Forstverwaltung;
- die Schaffung eines Fonds
unter der Verantwortung des Umweltministeriums, um den Ankauf von
schützenswerten
Flächen zu ermöglichen sowie Flächen, die später
für
die ökologische Aufwertung der Landschaft gebraucht werden;
- das Ausarbeiten eines
Reglements
über Inhalt und Ausführung von Impaktstudien, in
Anpassung
an europäische Direktiven und das Naturschutzgesetz. Hierzu hat
die
LNVL bereits Vorschläge erarbeitet;
- das Überarbeiten
des Gesetzes
zur Flurneuordnung unter Berücksichtigung der internationalen
Konventionen
und des allgemein anerkannten Prinzips der Nachhaltigkeit, nach
dem die Wirtschafts-, die Sozial- (Familienbetriebe) und die
Umweltaspekte
gleich gewichtet werden.
Wir hoffen auf eine
intensive Zusammenarbeit
zwischen ONR, Forstverwaltung und LNVL, damit die ökologischen
Ansätze,
die wir durchaus (an)erkennen, auch weiter entwickelt werden
können
und freuen uns auf die erste ökologische Felderzusammenlegung. In
diesem Sinne: alles Gute zum Jubiläum!
Lëtzebuerger
Natur- a Vulleschutzliga
asbl